Eine Frage, auf die ich noch immer keine richtig gute Antwort habe, obwohl sie sehr oft gestellt wird, ist diese: „Und was machst du so?“, sprich „Was arbeitest du und womit verbringst du die meiste Zeit deines Lebens?“ Die Antwort darauf ist einerseits etwas schwer, weil sie bei mir oft recht lang ausfällt und viel Erklärung bedarf und andererseits, weil sie die Leute auf eine falsche Fährte führen könnte, was ihre Annahmen über mich betrifft. Von manchen einfach als oberflächlich verbucht, möchten Menschen sich mit dieser Frage eigentlich nur einen ersten Eindruck von einer Person verschaffen. Grundsätzlich geeignet und ein guter Anfang, auch wenn die Antwort keinen Anspruch darauf erheben kann, ein vollständiges Bild zu vermitteln. Aber immerhin setzt sich unser Leben aus unseren Tätigkeiten zusammen und sie mit dieser Frage zu erkunden, ist ein probates Mittel.
Dennoch ist die Frage nach der Erwirtschaftung des Lebensunterhalts bei einigen Leuten unbeliebt. Verständlich ist die Scheu davor, in eine Schublade gesteckt und lediglich über einen Teil seines Lebens definiert zu werden, besonders dann, wenn man nicht zufrieden mit seiner Jobsituation ist oder sich nicht wirklich mit seiner Tätigkeit identifiziert. Es gibt, je nach Geschmack und Perspektive, coole und weniger coole Jobs. Und manchmal hat man auch einfach mal einen weniger coolen oder besonders begehrenswert scheinenden Job.
Aber nur den arbeitsfreien Teil seines Lebens preiszugeben, ist eine unvollständig und damit vermutlich unbefriedigende Antwort. Wir gehen nicht nur ausgefallenen oder beliebten Hobbys nach, backen Kuchen und setzen spannende Projekte um. Zu einem Großteil unserer Zeit sind wir damit beschäftigt, unsere Existenz zu sichern und zu verbessern und die Art und Weise, wie wir dies tun, prägt uns und die Gestalt unseres Lebens zweifellos.
Irgendwo müssen sie doch sein, diese Fortschritte
Vielleicht wird die Frage auch manchmal gemieden, weil es für uns ein schwieriges Thema sein mag, über das wir deswegen lieber nicht sprechen wollen. Weil wir nicht das Gefühl haben, dass unser Job richtig zu uns passt, oder es schlimm finden, keinen zu haben. Weil wir uns zu diesem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte doch eigentlich schon lange an einem Punkt befinden sollten, an dem all die Entwicklungen zur Verkürzung und Verbesserung von Arbeitszeit, Wirkung zeigen sollten und wir aber weiterhin diversen Widrigkeiten ausgesetzt sind. Tatsächlich ist für viele ein Ideal der Arbeitswelt nicht erreicht und im Untergrund unseres Bewusstseins setzt uns konstant etwas unter Druck, es zu erreichen. Irgendwo müssen Sie doch sein, diese ganzen Fortschritte? Es muss ihn doch geben, den Job, der wie für mich gemacht ist?
Einige zeigen sich unzufrieden mit einer Jobsituation, die von außen betrachtet gar nicht übel scheint. Das könnte daran liegen, dass ein Job mittlerweile mitunter sehr viel mehr können muss, als lediglich die Existenz zu sichern.
Ein Job soll gut bezahlt sein, Spaß machen, nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, Kolleg*innen, Chef*in, Kund*innen sollen tolle Menschen sein und vor allem muss einem liegen, was man da tut. Auch gut ist, wenn die Tätigkeit einem höheren Sinn dient, man sich damit identifizieren kann und wir bestenfalls vollkommen in ihr aufgehen und uns durch sie ausdrücken können.
Kurz: An einen Job werden viele und hohe Ansprüche und Erwartungen gestellt und damit simultan die Wahrscheinlichkeit für Enttäuschungen und Unzufriedenheit hochgeschraubt.
Irgendwo im Verlauf der Geschichte der Arbeit hat sich für einige die Frage „Was muss ich für den Job tun?“ in „Was tut der Job für mich?“ verwandelt.
Spätestens hier wird deutlich, dass es sich um ein Problem handelt, das eine Kehrseite der vielen Errungenschaften westlicher, hoch entwickelter Industrienationen darstellt. Ausnahmslos jede Medaille hat zwei Seiten.
Und was willst du später mal werden?
Nicht selten kommt es zu erheblichen Unstimmigkeiten oder sogar Auseinandersetzungen zwischen Eltern und (auch erwachsenen) Kindern, wenn es um die Wahl eines Berufes oder die eingeschlagenen Wege zur Bestreitung des Lebensunterhaltes geht. Der zugrunde liegende Konflikt basiert m. E. nach darauf, dass nicht allen Beteiligten zu jedem Zeitpunkt folgender Sachverhalt der Bedürfnispyramide deutlich ist: Vor der Selbstverwirklichung kommt die Existenzsicherung.
Als Kind kommt man, wenn alles glattläuft, aus einer Situation, in der die eigene Existenz ohne eigenes Zutun gesichert ist. Wir haben den Kopf frei von Sorgen, wollen und dürfen bestenfalls unsere Ideen umsetzen und unsere Talente ausleben. Wir werden gefragt, was wir gerne tun, was uns Spaß macht. Später, ob wir gerne mit Menschen arbeiten, allein, oder mit Computern. Anhand einer Vielzahl von Fragen, die man sich stellen kann, wird ausgewählt aus dem scheinbaren Meer der Möglichkeiten anhand teils fragwürdiger Auswahlkriterien. Aufgrund der Lähmung, die eine große Auswahl meistens zur Folge hat, tut uns dieses Meer der Möglichkeiten nicht immer einen Gefallen.
Eltern haben meist nicht viel anderes im Sinn, als weiterhin die Existenz des Kindes zu sichern. Darum soll es bitte eine Arbeit finden, die ein möglichst hohes Maß an verschiedenen Formen von Sicherheit verspricht. Sie wissen, wovon sie reden, die Kinder aber nicht. Vor 10 Jahren wurden sie doch noch so für Ihre Kreativität gelobt, nun ist es nicht mehr gerne gesehen, wenn man sich seiner Persönlichkeitsstruktur nach für eher wenig ertragreiche Branchen interessiert. Plötzlich geht es nicht mehr darum was Spaß macht, sondern was sein muss. Erschwerend kommt hinzu, dass Eltern sich meistens nicht voll und ganz in der Welt der Generation ihrer Kinder auskennen und völlig andere Parameter anlegen, nämlich die ihrer eigenen Generation, die sich noch an einem weniger hohen Punkt des Wohlstands befand.
In diesem Spannungsfeld zwischen Wollen und Müssen befinden wir uns innerlich als Erwachsene später oft weiterhin, nur dass wir uns nicht mehr mit den Eltern darüber auseinandersetzen, sondern mit uns selbst oder „der Gesellschaft“.
„Ich will mich nicht verwirklichen.“
Der Wurm auf dem T-Shirt von Stefanie Sargnagel
Wir leben in keiner einheitlichen Welt, sondern in einer, in der manche tatsächlich ihren idealen Traumjob gefunden haben, andere um ihre Existenz kämpfen und viele sich irgendwo dazwischen befinden und nicht recht wissen was los ist. In einer Umgebung, die von einem sehr hohen Wohlstand geprägt ist und in der proklamiert wird, dass dieser Wohlstand für jede*n zu erreichen sei, können die, die dieses allgemeine Wohlstandslevel nicht erreicht haben, unter immensen Druck geraten.
Aber es ist nicht zwangsläufig Aufgabe unseres Jobs, uns rundum glücklich zu machen und uns die Möglichkeit zu geben, diversen Facetten unserer Persönlichkeit und unseren Wertevorstellungen Ausdruck zu verleihen. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, einen mitunter erheblichen Teil unserer Zeit darauf zu verwenden, unsere Grundbedürfnisse zu versorgen, ohne darüber dauerhaft in Entrüstung oder Trübsal zu geraten. Wenn hinter die Existenzsicherung ein Haken gesetzt werden kann, können wir uns der Selbstverwirklichung oder der Erfüllung von Wünschen und Ansprüchen widmen. Müssen wir aber nicht. Vielleicht reicht es vollkommen, einen Job zu haben, der einfach nur dein Leben bezahlt. Vielleicht bietet das schon genug Anlass zu Freude und Entspannung. Das ist schließlich, was wir uns am meisten wünschen.
Es ist schön, wenn möglichst viele Menschen einen passenden, angenehmen und erfüllenden Job für sich finden, aber es ist weiterhin ein für viele fernes Ideal, dessen Verfolgung mehr Stress auslösen kann, als der suboptimale aktuelle Job einem tatsächlich bereitet.
Die Mühe, die in die Verfolgung eines Traumjobs gesteckt wird, könnte genauso gut in die Akzeptanz gewisser Unzulänglichkeiten investiert werden sowie in die Wertschätzung des vorhandenen Guten. Glück im Job und/oder in der Liebe – die Suche nach einem Traumjob kann genauso zermürbend sein wie nach dem*der Traumpartner*in und von einer Garantie, das eine oder andere zu finden, war eigentlich nie explizit die Rede.
Für alle, die glauben, ohne einen super Job sei alles nichts, die eine diffuse berufliche Unzufriedenheit verspüren, oder latent gestresst davon sind, endlich ihre Berufung zu finden, hier noch ein paar zusammenfassende und ergänzende Gedanken und Fragen zur Reflexion:
- Die Umgebung in der wir leben, legt uns nahe, dass wir es uns leisten können, Ansprüche zu stellen, die über die Befriedigung der Grundbedürfnisse oft weit hinausgehen. Es ist ein natürlicher Vorgang, den wir uns nicht vorzuwerfen haben. Wenn wir ihn reflektiert haben, können wir uns aber auch die entlastende Freiheit herausnehmen, keine besonderen Ansprüche stellen. Sehr befreiend.
- Hast du das Gefühl, dein Job sei in irgendeiner Hinsicht nicht … genug? Falls ja, kannst du herausfinden, woher dieses Gefühl kommt? Welche Gedanken oder Annahmen liegen dem zugrunde?
- Der Hang zum Vergleichen macht keinen Halt vor der Arbeitswelt. Mit deinen Freunden und Bekannten gibt es doch so viele Überschneidungen, warum scheinen sie alle in ihrer Bestimmung aufzugehen, nur du nicht? Abgesehen davon, dass Vergleiche dieser Art weder sinn- oder wertvoll sind, noch angenehme Gefühle auslösen, ist die Menschenwelt sehr viel größer als dieser Kreis von Menschen, mit denen du dich vergleichst.
Es lohnt sich emotional und für den generellen inneren Horizont, in die Lebenswirklichkeit ganz anderer Milieus und sozialer Gruppen einzutauchen, sich dort umzuschauen und mit einer anderen Perspektive und einer ausgewogeneren Bewertung der eigenen Situation wieder empor zu kommen. - Was sind deiner Meinung nach die Must-haves, über die ein Job verfügen muss? Wie sieht eine realistische Einschätzung darüber aus, ob ein solcher Job wie dieser wirklich existiert und zu bekommen ist?
- Manchmal profilieren wir uns gern mit unseren Tätigkeiten, wenn es möglich ist. Siehe coole Jobs und weniger coole Jobs. Positiv beeindrucken zu wollen ist nur menschlich und legitim. Entlastender für alle wäre es allerdings wahrscheinlich, wenn auch die angeblich weniger ruhmreichen Aspekte beleuchtet werden, die oft die Basis jeglichen Glanzes sind.
Ich z.B. bin nicht nur „Autorin“ und „Ordnungsberaterin“ sondern arbeite auch in einem Geschäft, das nicht vollkommen mit meinen Wertvorstellungen übereinstimmt. Eigentlich gar nicht so schwer, mir das mal als Antwort zu merken.
10 Kommentare zu “Die Sache mit dem Traumjob”