Kommunikations-Hacks für eine wirklich gute Weihnachtszeit 

Bist du nach dem »Fest der Liebe« oft gestresster als vorher? Dieses drei Schritte unterstützen dich in den Wochen vor und an Weihnachten, trotz überhöhter Erwartungen und übergriffigen Kommentaren bei dir zu bleiben.

Schenk dir Selbstfürsorge und davon nicht zu wenig

Der Countdown beginnt schon im Spätsommer, wenn die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen stehen und die Streaminganbieter kitschige Winterkomödien ankündigen: Nur noch ein paar Wochen bis Weihnachten! Wenige Tage im Jahr sind derart mit Sehnsüchten und Erwartungen überfrachtet: Plätzchenduft und ein perfekt geschmückter Baum; Festmenü und Geschenke, die ausnahmslos alle begeistern; bedingungslose Liebe und ungetrübte Harmonie.

Die Realität aber sieht oft anders aus: Opa weigert sich, den veganen Braten auch nur zu probieren; Oma nennt uns undankbar, weil wir uns nicht darüber freuen, dass sie entgegen der klaren Absprache doch 300 Filly-Pferde für ihr Enkelkind gekauft hat; der Onkel behauptet mal wieder, er würde zensiert, weil er das N-Wort nicht mehr sagen „darf“; die Tante kommentiert unser Gewicht und während der Vater vorm plärrenden Fernseher einschläft, beschwert sich Mutter: „Du meldest dich nie! Wir sind dir doch völlig egal!“

Das einzig Gute an solchen alljährlichen Konflikten ist, dass wir uns auf sie vorbereiten können. Die folgenden drei Übungen können dich dabei unterstützen, deine Grenzen zu schützen, ohne dass dabei die Beziehung zu deinem Gegenüber leiden muss. 

1. Welcher Kommunikationstyp bist du?

Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun geht von acht unterschiedlichen Kommunikationsformen aus: Die „bedürftig-abhängig“ kommunizierende Person beispielsweise präsentiert sich als schwach und bedürftig; diese Strategie sorgt dafür, dass andere ihr ständig Hilfe anbieten – und dabei vielleicht ihre eigenen Bedürfnisse aus dem Blick verlieren. Die „aggressiv-entwertend“ kommunizierende Person sucht bei ihrem Gegenüber nach wunden Punkten, um in Konfliktsituationen gezielt verletzen und ihren Willen durchsetzen zu können. Der Helfertyp wiederum reißt gern Entscheidungen und Verpflichtungen anderer an sich, kann selbst aber kaum Unterstützung annehmen. 

Im Kontakt mit der Familie können unsere Kommunikationspräferenzen stärker zutage treten – oder auch kurzfristig zurückgedrängt werden, weil wir Auseinandersetzungen vermeiden wollen: Viele von uns sind mit der Überzeugung groß geworden, dass Streit etwas Schlechtes wäre. Dass Widerspruch und das Setzen von Grenzen unbedingt vermieden werden müssten, erst recht im Umgang mit unseren Eltern und anderen älteren Verwandten. Viele unserer Eltern und Großeltern pflegen bis heute ein Verständnis von Autorität, das keine Widerrede vorsieht. Deswegen reagieren sie oft mit Unverständnis, im schlechtesten Fall sogar mit Vorwürfen oder Drohungen, sobald sie mit persönlichen Grenzen konfrontiert werden.

Das einzig gute an Konflikten an Weihnachten: Man kann sich auf sie vorbereiten

Ganz gleich, ob es unserem Gegenüber bewusst ist oder nicht: Diese Form des psychischen Drucks soll uns zur Kooperation zwingen – und ist in vielen Fällen auch erfolgreich. Schuldgefühle lösen nämlich, evolutionspsychologisch betrachtet, die Angst aus, sozial sanktioniert und aus unserer „Gruppe“ ausgeschlossen zu werden. Der Wunsch nach Verbindung aber gehört zu den wichtigsten Triebkräften des menschlichen Lebens. Kein Wunder also, wenn wir bei Angst vor Ablehnung unsere Bedürfnisse reflexartig verdrängen und uns so verhalten, wie unser Gegenüber es einfordert – alles in der Hoffnung, dessen Gunst zurückgewinnen zu können. Für dieses Verhalten zahlen wir jedoch einen hohen Preis: Wir signalisieren unserem Gegenüber, dass unsere Grenzen keine Beachtung verdient hätten, und wir halten einen Gesprächsmodus aufrecht, in dem wir ständig angespannt sind und irgendwann vermutlich einen Groll auf unser Gegenüber entwickeln. Dieser Groll wird sich unweigerlich entladen – spätestens in stark emotionalisierten Zeiten wie Weihnachten. 

Gib dir Zeit, um dich zu fragen, welche Rolle du in Konflikten übernimmst. Kannst du deine Grenzen frühzeitig wahrnehmen oder erst, wenn sie mehrfach überschritten wurden? Wie hast du bis jetzt auf Grenzverletzungen reagiert? Konntest du direkt für dich einstehen oder erst, wenn sich über einen längeren Zeitraum in dir Enttäuschung oder Wut aufgestaut hatten? Was tust du bislang, um Konflikte beizulegen? Welche Kompromisse gehst du ein? Was kannst du aus deinem bisherigen Verhalten in Konflikten lernen? Was funktioniert schon gut; wo sind neue Ansätze und Strategien nötig? 

2. Was brauchst du, um dich zu Weihnachten sicher und wohl zu fühlen?

Zu den größten Streitthemen in der Weihnachtszeit gehören ganz pragmatische Fragen: Wo und mit wem feiern wir? Wie viel Zeit verbringen wir miteinander und wie genau füllen wir diese Zeit? Was essen wir? Was schenken wir einander? Konfliktträchtig werden diese Fragen vor allem, weil es oft um etwas ganz anderes geht: Die Schwiegermutter fordert vielleicht ein, dass der Heiligabend nur bei ihr gefeiert werden darf, weil sie sich fehl am Platz fühlt, seit ihr Sohn eine eigene Familie gegründet hat. Die Großeltern bestehen vielleicht auf „traditionelle“ Abläufe (vom Kirchgang bis zu fleischlastigem Essen), weil sie sich vernachlässigt fühlen, seit ihre Enkelin fürs Studium in eine andere Stadt gezogen ist, und wollen, dass sich wenigstens Weihnachten anfühlt „wie früher“. Und wir sind vielleicht mit so viel beruflichem oder privatem Stress im Gepäck in der alten Heimat angereist, dass wir uns deutlich schneller angegriffen fühlen als sonst. Je mehr unausgesprochene Bedürfnisse aufeinanderprallen, desto höher ist die Gefahr, dass die freien Tage vor allem Streit und Frustration mit sich bringen.

Ein Standardwerk zur Selbstreflexion der eigenen Bedürfnisse

Nimm dir Zeit, um zu überlegen, was genau Weihnachten für dich bedeutet. Wie würden perfekte Tage für dich aussehen? Wo und mit wem würdest du sie verbringen? Wie viel und was würdest du unternehmen wollen? Worüber würdest du gern sprechen, was essen, welche Musik hören, welche Filme anschauen? 

Was genau hat dich an deinem Weihnachten in den letzten Jahren am meisten gestört? Hattest du zu wenig Raum, um nach dem beruflichen Stress der Vorweihnachtszeit wieder bei dir anzukommen und das Jahr für dich Revue passieren zu lassen? Hast du dich bei praktischen Vorbereitungen wie etwa bei Einkäufen, Mahlzeitplanung, Geschenkekauf oder Zugticketbuchung von deiner Partnerin oder deinem Partner alleingelassen gefühlt? Hast du dich über immer gleiche Sätze und Verhaltensweisen von Verwandten geärgert, wusstest aber nicht, wie du gesunde Grenzen setzen kannst? Hättest du dir einen ausgedehnten Winterspaziergang gewünscht, hast dich stattdessen aber verpflichtet gefühlt, von früh bis spät alle Zeit mit der Familie zu verbringen? 

Je besser du deine Bedürfnisse kennst, desto besser kannst du auch einordnen, mit welchen Kompromissen du gut leben kannst und an welcher Stelle es wichtig ist, auf deinem Bedürfnis zu bestehen. Was muss dieses Jahr anders laufen und welche Themen kannst du schon in den Wochen vor dem Fest verhandeln? Wenn es beispielsweise jedes Jahr Streit in Bezug auf ein bestimmtes Thema gibt, bietet es sich an, schon im November oder Anfang Dezember das direkte Gespräch zu suchen, zum Beispiel so: „In den letzten Jahren haben wir uns meist gestritten, wenn es um das Thema X ging. Das fand ich total schade; du bestimmt auch, oder? Könntest du dir vorstellen, dass wir das Thema dieses Weihnachten ausblenden und erst nach den Feiertagen wieder darüber sprechen?“ Indem du in Aussicht stellst, dass das Thema grundsätzlich Raum haben darf, nimmst du Druck aus der Situation.

Wie würde dein perfektes Weihnachten aussehen?

Falls es sich jedoch um ein Thema handelt, über das du grundsätzlich nicht mehr sprechen willst – wenn etwa permanent dein Körper oder dein Beziehungsstatus kommentiert werden und du dich damit verständlicherweise unwohl fühlst –, ist es umso wichtiger, das vorab zu kommunizieren und nicht erst zu Weihnachten. Du könntest beispielsweise sagen: „In den vergangenen Jahren war immer wieder mein Körper/mein Beziehungsstatus Thema. Diese Gespräche haben nirgendwohin geführt und es ging mir damit nicht gut. Deswegen möchte ich dich jetzt schon darum bitten, dieses Thema nicht mehr anzuschneiden.“ Je früher du diese Gespräche führst, desto mehr Chancen hast du, gehört zu werden, weil bei deinem Gegenüber der (Vor-)Weihnachtsstress noch nicht eingesetzt hat, und desto mehr Ruhe schenkst du dir in den Wochen vor Heiligabend selbst, weil du weißt, dass du angesprochen hast, was dir sehr wichtig ist. 

3. Gesunde Grenzen setzen

Veränderungen brauchen Zeit. Egal, wie gut du in den Wochen vorab kommuniziert hast: Zu Weihnachten werden Probleme auftauchen und du wirst sie in dem Moment nicht final lösen können. Wichtig ist vor allem, dass du dich bestmöglich vorbereitet fühlst. Lege dir kurze, gut zu merkende Sätze bereit, die dir dabei helfen, dich verbal (und emotional) reflexartig abzugrenzen. Wenn du bereits in den Wochen vor Weihnachten deine Grenzen abgesteckt hast, kannst du dich einfach darauf berufen: „Darüber haben wir schon gesprochen. Deswegen werde ich jetzt darauf nicht eingehen.“ Du kannst auch Gegenfragen stellen – zum Beispiel: „Was meinst du damit?“ – oder mit kurzen Statements arbeiten, beispielsweise „Verstehe“ oder „Ich werde das nicht diskutieren“ oder „Du überschreitest gerade meine Grenze“. 

Wünsch dir was!

Stell dich darauf ein, diese Sätze oft zu wiederholen. Nicht von ungefähr wird auch in der Werbung und in der politischen Kommunikation nach dem Prinzip „Kaputte Schallplatte“ gearbeitet: Es braucht Zeit, bis sich Botschaften wirklich eingeprägt haben, und Veränderungen kosten Kraft. Wer sich über lange Zeit daran gewöhnt hat, die eigenen Grenzen – oder die Grenzen anderer – zu ignorieren, wird nicht nach einer einzigen Erkenntnis oder einem klärenden Gespräch für den Rest seines Lebens anders handeln. Wenn wir sowohl uns selbst als auch unserem Umfeld Verhaltensänderungen erleichtern wollen, ist Konsequenz also unerlässlich: Jedes Mal, wenn du dich nicht auf die immer gleiche, fruchtlose Diskussion einlässt, signalisiert du deinem Gegenüber, dass du für dich einstehst. Dass du deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen kennst und achtest – und dass du genau das auch von ihm oder ihr erwartest. 

Je öfter du im Gespräch mit anderen gut für dich sorgst, desto leichter wird es dir beim nächsten Mal fallen: Das menschliche Gehirn liebt Gewohnheiten. Es kostet, bildlich gesprochen, einfach sehr viel weniger Energie, einen vertrauten Trampelpfad einzuschlagen, statt sich ständig durch neues, unwegsames Gelände kämpfen zu müssen. Umso wichtiger ist es, dass wir bewusst Gewohnheiten etablieren, die uns empowern.

Herausforderung: (Groß-)Eltern wollen sich in die Kindererziehung oder persönliche Entscheidungen einmischen

  • „Ich lerne oft und gern von dir. Meine Entscheidungen treffe ich aber selbst.“
  • „Danke, dass du deine Meinung mit mir geteilt hast.“

Herausforderung: Ein Elternteil spricht schlecht über den anderen und versucht, uns auf seine Seite zu ziehen

  • „Du bist mir wichtig und es tut mir Leid, dass du frustriert bist.“
  • „Ich bin dafür nicht der richtige Ansprechpartner.“

Herausforderung: Verwandte äußern menschenfeindliche Parolen 

  • „Ich kann und möchte dir deine Überzeugungen nicht wegnehmen. Aber ich werde nicht im Gespräch bleiben, wenn du Menschenfeindlichkeiten verbreitest.“
  • „Du darfst immer alles sagen. Ich muss dir dabei aber nicht zuhören.“

Herausforderung: Widerspruch oder Grenzsetzungen werden als Respektlosigkeit oder Zensur umgedeutet. 

  • „Respekt bedeutet für mich nicht, dass ich kein Recht auf Grenzen habe.“
  • „Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Du fühlst dich zensiert oder du verletzt meine Grenzen.“

Welche Strategien hast du schon für dich entdeckt? Welche anderen Impulse fallen dir ein, die du mit unserer Community teilen möchtest?

Kategorien Achtsamkeit Mentale Gesundheit Selbsthilfe

Dana Buchzik ist Journalistin und Kommunikationsberaterin mit den Schwerpunkten Radikalisierung, Diskussionskultur und gesunde Grenzsetzung. Im Januar erschien ihr Buch „Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können". Instagram Buch

6 comments on »Kommunikations-Hacks für eine wirklich gute Weihnachtszeit «

  1. Super Beitrag! Ich habe selbst einige Situationen für mich hinterfragt und finde deine Tipps sehr hilfreich! Danke!

  2. Carolin Frank

    Hallo Dana,
    ich habe schon den ersten Konflikt hinter mir und bin froh sagen zu können, dass ich die mir im Vorfeld zurechtgelegten Worte angewendet habe. Grundsätzlich stellt sich selbstverständlich eine große Traurigkeit ein, wenn man überhaupt Grenzen setzen muss, aber wenn man fast sein ganzes Leben lang (50) sich hat dirigieren lassen, ist eine solche Kommunikation wohl überfällig und für die eigene Gesundheit unerlässlich.
    Danke, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
    Liebe Grüße, Carolin

  3. Lisa-Marie

    Danke für den tollen Beitrag! Ich bin über die Adventszeit auch immer ziemlich angespannt. Und je näher Weihnachten rückt, desto angespannter werde ich. Besonders die Feiertage haben es in sich. Trotzdem habe ich mir für dieses Jahr besonders vorgenommen, bei mir und meinen Bedürfnissen zu bleiben. Die Idee, sich bereits im Vorfeld schlagfertige Sätze zurechtzulegen, finde ich gut. Besonders, wenn sich Situationen immer wiederholen. Mentale Vorbereitung ist in jedem Fall eine gute Sache!

  4. Ich finde diesen Beitrag recht gut und schlüssig. jedoch kann ich mir kein Szenario denken in dem die genannten Sätze, die die Situationen entschärfen sollen, authentisch ausgesprochen werden können.
    ich kann mir nicht vorstellen, dass es Familien gibt in denen diese Sätze nicht gestelzt wirken und sich das Gegenüber als wirklich ernstgenommen versteht.

    • Ich denke es sind eher Anregungen, wie du es ausdrücken kann. Mir helfen Beispiele meist sehr, um eine Idee für mich zu entwickeln, was für mich die richtigen Sätze in bestimmten Situationen wären. Ich glaube mit copy+paste kommst du nicht weit, dabei klingt es wirklich wie eine eingeübte Sache- ist es dann wohl auch. Viel Erfolg! Juliane

  5. Sabine Timm

    Hallo Dana!
    Vielen Dank für deine wertvollen Tipps!!!! Ich werde sie wohl noch öfter lesen müssen, um so gekonnt kommunizieren zu können! Lernprozess…
    Nicht nur zu Weihnachten 🎄.
    Echt gut !
    Liebe Grüße Sabine

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