Deutschlands Nr. 1 für Achtsamkeit und Selbstreflexion×

Wie es sich anfühlt, 250.000 Bücher zu verkaufen

Fünf Jahre Ein guter Plan: Was als kleine Idee aus Eigenbedarf entstand, ist heute Deutschlands beliebteste Marke für Achtsamkeit. Warum es bei uns wenig nach Achtsamkeit aussieht und es an ein Wunder grenzt, dass es uns noch gibt, erfährst du in diesem Rückblick über eine nicht immer achtsame Zeit.

Machen wir hier Kalender, oder strecken wir Kokain?

Als der Notar unser Büro betritt, weiß ich nicht, ob ich mich schämen oder lachen soll. Da steht dieser große Mann mit dünner Brille, langem Trenchcoat und glänzendem Aktenkoffer also in unserem Konferenzraum und diese personifizierte Pflichterfüllung wirkt herrlich deplatziert in dieser Bruchbude, die wir Verlag nennen.

Die Dielen, die schon so kaputt sind, dass man beim Betreten einbrechen würde, sind mit Stühlen verstellt. Die einzige Lichtquelle ist eine traurige Glühbirne, die so unmotiviert von der Wand hängt wie die Blätter der von der Straße geretteten Yuccapalme. Ob wir hier wirklich Kalender schreiben oder doch eher Kokain strecken ist auf den ersten Blick wohl nicht ganz eindeutig.

Der Rest des Büros sieht nicht besser aus: Selbstgebaute, wackelige Tische, Fenster, die nur noch halb im Rahmen hängen, aus der Fassung gebrochene Rollladen. Überall stehen Bierkisten, Bücher stapeln sich nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich ohne System in allen Ecken. So arbeiten also Menschen, die sich dem Thema Achtsamkeit verschrieben haben? Kein durchgestylter Yogaraum, keine Obstschalen, keine teuren Vitra-Sofas. Ich frage mich, ob unsere Arbeitsräume wohl gegen geltende Arbeitsraumbestimmungen verstoßen und Notare so etwas melden müssen.

Schon 250.000 achtsame Nutzer*innen

Der Notar staunt: So wenige Menschen, so kleine Tische, ein abgerocktes Zimmer in einer kleinen Altbauwohnung in Berlin-Neukölln weit weg von jedem Szenekiez. Aber kein Büro ist bezeichnender für unsere Arbeit. Es ist sicher nicht perfekt, aber unaufgeregt, echt und eben gut genug. Niemand, die*der an unserem Fenster vorbeiläuft, hat Angst anzuklopfen und Hallo zu sagen. So soll es sein.

Wahres unternehmerisches Selbstbewusstsein basiert nicht auf strahlenden Firmensitzen und Glaskühlschränken voller Craft-Biere. Bei uns gibt es stattdessen selbstgebackenen Kuchen und frische Säfte aus dem teuersten Gerät in diesem Büro: Ein Entsafter, der aber auch nur die Leihgabe einer Mitarbeiterin ist. Aber, und das ist ja das Wichtigste: Es ist einer meiner absoluten Lieblingsorte auf diesem Planeten. Er hat die Energie unserer Arbeit eingebrannt wie das Essen von letzter Woche auf dem alten Elektroherd in der Büroküche.

Und genau diese Energie hat uns ziemlich genau heute, ziemlich genau am fünften Geburtstag von Ein guter Verlag, zu ziemlich genau unserem 250.000sten verkauften Exemplar von Ein guter Plan verholfen. Grund genug für ein großes Fazit, so wie ich es schon vor knapp zwei Jahren zum 100.000sten Exemplar getan habe.

Jeden Fehler machen, den es gibt

„Wir machen hier im Verlag ja echt keinen Fehler zweimal. Aber wir geben uns verdammt noch mal viel Mühe, wirklich jeden Fehler einmal zu machen.“ Das sagte neulich unser Head of Marketing Julia und irgendwie hat sie ja Recht. Kein Jahr verlief bisher glatt und kein Jahr ist bisher vergangen, indem ich nicht mindestens einmal dachte, dass es das mit uns war. Die Lowlights der letzten zwei Jahre:

Allein letzte Saison, als es ein Druckproblem nach dem nächsten gab und sich die Lieferung einfach immer mehr verzögerte. Nennt mir einen Verlag, der datierte Terminkalender statt im Spätsommer erst im Dezember ausliefern kann und das übersteht. Monatelang haben wir nichts anderes getan, als Entschuldigungsmails zu schreiben, Großhändler zu vertrösten, wütende E-Mails zu beantworten, Bestellungen zu stornieren und Gutscheine zu verschicken.

Wegen eines dummen Fehlers bei der Produktkennzeichnung löschte Amazon eines Tages plötzlich all unsere Produkte, samt Bewertungen, die wir über Jahre mühsam gesammelt hatten. Wie kann man sich auf solche Probleme vorbereiten? Wie geht man damit um, wenn man sowas abends liest und weiß, dass gerade 40 % des Umsatzes für immer vernichtet wurden? Wie erholt man sich von sowas?

Links das Original, rechts die Raubkopie (gefunden auf Amazon für 9,90€)

Oder all die Plagiate, die gefühlt alle 6 Minuten fünf Minuten auf dem Markt erscheinen. Einerseits gibt es inzwischen waschechte Raubkopien, womit ich wirklich niemals gerechnet habe. Andererseits fahren Konkurrenten seit einiger Zeit hochprofessionell gesteuerte Kampagnen gegen uns, kaufen im großen Stil und immer wieder unsere Bücher, bewerten diese negativ und lassen dann eine ganze Armee an Mitstreiter*innen diese gefälschten Bewertungen als „hilfreich“ bewerten, damit sie wirklich das Erste sind, das die Kund*innen bei uns lesen. Über diese Machenschaften könnte ich ein ganzes Buch schreiben, inklusive unserer ganzen Bemühungen, sich in diese Fälscherbanden einzuschleusen und sie auf frischer Tat zu ertappen. Dazu aber demnächst mehr. Es ist ein echter Wirtschaftskrimi.

Oder ganz aktuell: Die Banderole, die Ein guter Plan verschließt, geht im Karton manchmal auf und ruiniert mit den Kleberresten das Leinen der Bücher. Wie findet man raus, wie viele Bücher betroffen sind und was wird uns das kosten? Dieser konstante Strom an Problemen, auf die man sich nicht vorbereiten kann, ist irgendwann einfach zermürbend.
Es würde mich nicht wundern, wenn wir nächstes Jahr selbst gar keine Fehler machen und Ein guter Plan 2022 in Empfang nehmen und alle Kartons leer sind, weil unser Leim leider Papier zersetzt. „Tja, sowas haben wir noch nie gesehen. Höchst außergewöhnlich!“ werden die Wissenschaftler*innen sagen.

Und dann hat man sich irgendwie zusammengerauft, hat die Saison überstanden, hat mal rechtzeitig alle Bücher in den Druck gegeben, hat zumindest ein paar gefälschte Bewertungen anwaltlich löschen können und ein paar Plagiate verboten, atmet einmal richtig durch und sagt sich: Das wird unser Jahr! Dieses Jahr kann nichts schiefgehen! Und was macht das Leben? Schickt eine Pandemie. Aha. Okay.

Vielleicht soll es einfach nicht sein. Das klingt sicher etwas melodramatisch, aber mein erster Gedanke, als mir im März klar wurde, was da gerade auf uns zurollt, war: Ich kann nicht mehr. Ich brauche jetzt ein Jahr, in dem einmal alles rund läuft und das wird es nicht geben. Ich kann nicht nur nicht mehr, ich will auch nicht mehr.

Wir sagten alle neuen Titel ab und reduzierten die Auflage für Ein guter Plan massiv. Ich war mir sicher: 2020 überstehen wir nicht.

Die Woche, die alles änderte

Als Verfechter des Stoizismus überlegte ich möglichst gefasst, was ich tun kann, um diesem kleinen Verlag einen gebührenden Abschied zu bescheren. Was soll das Erbe von Ein guter Plan sein? Wie verabschiede ich diese Firma mit Stil? Und ich tat das, was ich am besten kann: Ich schrieb meine Ideen auf, wie Achtsamkeit helfen kann, die aufkommende Corona-Krise möglichst gefasst zu überstehen. Und damit begann eine Welle der guten Dinge, die mir rechtzeitig klargemacht hat, dass das Positive weiterhin stark überwiegt und ich das bloß vergessen hatte. Wer ständig Brände löscht, achtet nicht auf die Häuser ohne Flammen.

Mein Artikel 11 Tipps, wie man entspannt durch die Pandemie kommt war wahrscheinlich einer der ersten, jedenfalls ganz sicher einer der meistgelesenen Artikel zur psychologischen Seite der Krise. Anstatt der üblichen 5.000 Leser*innen meiner Texte waren es plötzlich 250.000. Unser Umsatz wuchs nicht nur dadurch, sondern auch ganz besonders, weil viele Nutzer*innen unserem Aufruf gefolgt waren, uns mit einem Kauf zu helfen. Diese Unterstützung kam genau richtig. Und dann wurde es noch verrückter: Statt, wie sonst, erst irgendwann im Winter die Kalender fürs nächste Jahr zu bekommen, erreicht uns eine E-Mail: Alle Bücher sind fertig und auf dem Weg zu uns. Mitte Juli. Der Verkauf läuft bereits. Amazon entsperrte fast zeitgleich all unsere Produkte, sogar einige Bewertungen waren noch da. Kurz darauf wurden wir für den wichtigsten deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert, gewannen zwei Tage später den German Design Award, dann den Eco Design Award und schafften es ins Finale von Die schönsten Deutschen Bücher. Und dann war klar: Hey, so schlecht waren die letzten Jahre gar nicht. Im Gegenteil.

Unsere Besucherzahlen erinnern an den Verlauf einer aktuellen Pandemie

Mein persönliches Highlight: Wir haben unseren Planern ein komplettes Redesign spendiert und haben alle Nachhaltigkeitsaspekte konsequent zu Ende gedacht: Klimaneutrale Produktion, Altpapier, veganer Leim, Farben aus Pflanzenöl, kein Einschweißen in Folie: Wir haben innerhalb eines Jahres Ein guter Verlag zu einem der ökologischsten Verlage des Landes umgebaut und darauf können wir sowas von stolz sein. Das Feedback der Kund*innen kann man nur als überwältigend bezeichnen.

Wir haben eine einfache, aber kluge App entwickelt, die zwar erst in den kommenden Monaten ihr ganzes Potenzial entfalten wird, aber jetzt schon für viele Nutzer*innen eine sinnvolle Ergänzung zu unseren Büchern darstellt. Anfangs schienen die Bemühungen wie vertane Liebesmüh: über zwei Jahre Entwicklung, zigtausend Euro Kosten und wenig Funktion. Aber so langsam zeichnet sich ab, dass die App doch ein echtes Alleinstellungsmerkmal ist. Die automatisierte Auswertung von möglichen Burnout-Anzeichen kann für manche Nutzer*innen genau den richtigen Anstoß bringen, besser auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.

Unser Team ist nicht nur gewachsen, sondern auch zusammengewachsen. Während wir die ersten Jahre schlicht um unsere Existenz kämpfen mussten, haben wir inzwischen Zeit und Ressourcen wirklich viele schöne Ideen kreativ umzusetzen, Unternehmungen als Team zu machen und einfach größer zu denken. Wahrscheinlich ist es normal, dass man als frischer Gründer jeden Aspekt der Arbeit kontrollieren oder am besten selber machen will. Aber zu sehen, was sich für ein Bollwerk an Fähigkeiten entfaltet, wenn ich diese wunderbaren Menschen einfach ihr Ding machen lasse, fasziniert mich jeden Tag aufs neue. Natürlich sind sie viel qualifizierter als ich. Deswegen sind sie ja im Team.

Achtsamkeitswanderung mit Alpakas

Es zeichnet sich nun deutlich ab, dass nicht nur einzelne Erfolge wie Crowdfunding oder bestimmte Blog-Artikel für unseren Wachstum verantwortlich sind, sondern wir einfach seit fünf Jahren gute Arbeit leisten und nun scheinbar eine unsichtbare Mauer durchbrochen haben. Die Verkäufe gehen konstant nach oben, unser kleines Netzwerk an Buchhandlungen wächst und wächst, unser Instagram-Kanal hat es innerhalb eines Jahres von 35.000 auf 120.000 Follower*innen gebracht und bereits abgesagte Titel werden wir nun doch voller Vorfreude angehen.
Genau so habe ich mir das immer vorgestellt: Ein motiviertes Team arbeitet gemeinsam an den Titeln, auf die es Lust hat und unsere Nutzer*innen schenken uns für unseren Einsatz so viel Wertschätzung und Liebe, dass es vollkommen klar ist, dass all die Probleme, die wir hatten, haben und ganz sicher in Zukunft haben werden uns nicht wirklich aufhalten können.

Aber aufhalten, auf dem Weg wohin? Wer uns schon ein bisschen länger kennt, weiß, dass es keine hohle Marketing-Phrase ist, wenn wir sagen, dass Gewinnmaximierung nicht unser Ziel ist. Unser Weg hat so gesehen kein echtes Wohin. Wir haben keine Kennzahlen, die wir erreichen wollen oder müssen. Ja, angeblich der Kardinalfehler schlechthin, wenn man Business-Coaches fragt, aber das ist mir sowas von bums. Wenn ich in zwei, drei oder zehn Jahren den Artikel „Wie es sich anfühlt, 500.000 Bücher zu verkaufen“ schreiben werde, werde ich auch dann Erfolg nicht an Umsatz messen. Sondern an all den bescheuerten Problemen, die wir überstanden haben und all den verrückten Begebenheiten, die wir erlebt haben. Na gut, möglicherweise auch daran, dass wir dann vielleicht ein Büro haben, durch dessen Dielen man nicht mehr in den Keller bricht.


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Echte Texte von echten Menschen: Bei diesem Artikel kam keine künstliche Intelligenz für die Erstellung von Texten und die Recherche von Inhalten zum Einsatz.

Jan Lenarz

Jan Lenarz ist Gründer und Geschäftsführer von Ein guter Plan. Der mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautor engagiert sich politisch für mentale Gesundheit und schreibt über Achtsamkeit, Depression und Burnout. Er engagiert sich ehrenamtlich als Rettungssanitäter und Erste-Hilfe-Ausbilder. Bei den Einsätzen im Berliner Stadtgebiet wird seine hart antrainierte Gelassenheit regelmäßig auf die Probe gestellt. Website Instagram

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