Wir alle waren schon mal an diesem Punkt. Der Januar neigt sich dem Ende zu, doch die ganzen guten Gewohnheiten lassen immer noch auf sich warten. Die schlechten wollen dafür einfach nicht verschwinden. Studien zufolge hat jede*r Zweite ihre*seine guten Vorsätze schon nach wenigen Wochen über Bord geworfen. Im folgenden Artikel beleuchten wir kognitions-, verhaltens- und neuropsychologisch die Macht der Gewohnheit und geben dir konkrete Tipps, wie du deine guten Vorsätze für das neue Jahr und Jahrzehnt einfacher, schneller und nachhaltiger umgesetzt bekommst. Und nicht wie jede*r Zweite bist!
Nur nicht alles auf einmal …
Einer der größten Fehler, den man in diesem Zusammenhang begehen kann, ist, sich zu viel auf einmal vorzunehmen. Sowohl hinsichtlich Größe wie auch Menge der Vorhaben. Der prototypische Ablauf: Wir sind über alle Maßen motiviert und haben die besten Intentionen. Diese guten Absichten können sich bis zur Euphorie auftürmen. Dieser Rausch der Möglichkeiten verleitet allerdings schnell zu Größenwahn und Ungeduld. Wir wollen alles und am besten alles sofort und auf einmal. Uns mit den vielen kleinen nötigen, aber furchtbar unglamourösen Zwischenschritten auf dem Weg zu unserem Ziel zu befassen, darauf haben wir natürlich nicht so besonders Lust.
“Wer sich zu viel auf einmal vornimmt, der läuft Gefahr, am Ende gar nichts zu machen.”
In diesem Stadium kann es sehr leicht passieren, dass wir unsere eigenen Kapazitäten, Ressourcen und Möglichkeiten zu optimistisch einschätzen, uns überschätzen. Und selbst wenn uns das nicht passiert, unterschätzen wir doch sehr, sehr häufig die vielen kleineren Schwierigkeiten und unvorhergesehenen Hürden, welche der Alltag uns immer wieder vor die Füße wirft.
Gib volle 1 %
Deshalb eines nun mal gleich vorweg: Du musst nicht jeden Tag 100 % geben. Und du musst dich schon gar nicht jeden Tag komplett verändern. Wer sich zu viel auf einmal vornimmt, der läuft Gefahr, am Ende gar nichts zu machen. Das Profane ist hier einfach unumgänglich: Gewöhne dich schon mal dran (pun intended).
Ein wichtiger Schlüssel zu bleibender Veränderung ist, die tägliche Handlung lächerlich klein zu halten. So klein, dass es sich beinahe nicht lohnt, überhaupt anzufangen. Und auf jeden Fall so klein, dass du, wenn du einmal angefangen hast, problemlos und eigentlich sogar gern weitermachen würdest. Lass dich dazu an diesem Punkt aber auf keinen Fall verleiten, sondern hör genau da auf, wo du es dir vorgenommen hast. Konsequent. Wenn dein Vorsatz zum Beispiel ist, jeden Tag vor dem zu Bett gehen zu lesen, könntest du dich darauf festlegen, in den ersten Tagen nur fünf Seiten zu lesen. Und dann auch wirklich nicht mehr. Leg das Buch in den ersten Tagen auf jeden Fall nach fünf Seiten weg. Dieser Punkt ist wirklich essentiell! Das ist auch neurobiologisch argumentierbar:
Die Neurobiologie von Routinen
Neurobiologisch betrachtet geht es darum, die Handlung vom Bereich des Bewussten in tiefere Hirnregionen zu verlagern. Ist sie erst einmal dort verankert, nimmt ihre Ausführung viel weniger kognitive Ressourcen in Anspruch. Dadurch werden wieder Kapazitäten für die wirklich wichtigen Dinge frei. Rationales Denken, Planen und bewusste, komplexe Entscheidungen. Also all das, was in den Zuständigkeitsbereich des präfrontalen Cortex fällt. Er ist aktiv, wenn eine Handlung noch neu und ungewohnt ist. In diesem Stadium verlangt sie von uns die volle Aufmerksamkeit.
Wird die Handlung belohnt, erhöht das die Wahrscheinlichkeit immens, dass sie wiederholt wird und eine nachhaltige Verhaltensänderung nach sich zieht. Und somit in weiterer Folge auch, dass sich aus einem guten Vorsatz tatsächlich eine bleibende Gewohnheit formt. Das gute Gefühl, das sich breit macht, wenn wir „aufhören, wenn es gerade am Schönsten ist“, kann als diese nötige Belohnung fungieren. Serotonin und Dopamin fluten deine Rezeptoren. Du kannst es gar nicht erwarten, am nächsten Abend wieder zu deinem Buch zu greifen.
Würdige Mikroerfolge
An dieser Stelle ist es sehr wichtig, dass du deinen Erfolg auf keinen Fall herunterspielst, sondern ihn wirklich als solchen anerkennst. Würdige ihn ganz bewusst, auch wenn du nur einen Mikroschritt gegangen bist. Sonst verdirbst du dir noch deinen großartigen Hormoncocktail, welcher maßgeblich zur Festigung der Gewohnheit beiträgt.
Wurde eine Handlung oft genug wiederholt, signalisiert das dem Gehirn, dass sie Sinn ergibt und sich der Aufwand lohnt, den Ablauf in tieferen Hirnregionen abzuspeichern. Offensichtlich hat er einen Platz in dem Areal verdient, das für Routinen zuständig ist: in den Basalganglien. Die Prozesse in dieser Region laufen automatisiert und daher blitzschnell ab. Wir erledigen Dinge, ohne bewusst darüber nachzudenken, also „wie im Schlaf“.
Das ist natürlich eine super Sache. Vorausgesetzt, es geht um für uns wünschenswertes Verhalten und Muster, die mit unseren Zielen in Einklang stehen. Bei schlechten Angewohnheiten und Gedankenmustern hingegen ist diese Hartnäckigkeit gar nicht so gern gesehen. Sie ist der Grund, warum es so schwer ist, unerwünschte Gewohnheiten abzulegen und wieder loszuwerden. Die hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit ist eine große Hürde, bewusst in den automatisch ablaufenden Prozess einzugreifen und ihn immer wieder zu durchbrechen.
Identifiziere dich mit der Gewohnheit!
Außerdem sollte dein Fokus gar nicht so sehr auf dem von dir formulierten Zielverhalten liegen, jedenfalls nicht ausschließlich. Sondern vor allem auch auf der Person, zu der du dich im Laufe des Prozesses entwickelst. Das ist nämlich nicht nur das in Wirklichkeit viel wertvollere Ergebnis; mit dieser Herangehensweise wirst du außerdem viel schneller Erfolge erzielen.
Du verringerst dadurch den Widerstand, welcher sich daraus ergibt, dass eine neue Verhaltensweise noch nicht mit deinem Selbstbild kongruent ist, enorm. Wenn wir dabei sind, uns Neues anzueignen, fällt uns das eben auch deshalb so schwer, weil wir dafür unsere breit gepflasterten, neurologischen Pfade verlassen müssen. Und das verursacht Reibung genug.
Identifiziere dich mit der neuen Tätigkeit, den neuen Gedankenmustern! Das macht es für dich viel natürlicher und naheliegender (und somit einfacher), das entsprechende Verhalten auszuführen. Es nicht zu tun wird sich hingegen bald widernatürlich anfühlen.
Dein Fokus sollte auf der Person liegen, zu der du dich im Laufe des Prozesses entwickelst.
6 Tipps, deine Vorsätze für 2020 doch noch einzuhalten:
- Formuliere konkret. Je konkreter du dein Zielverhalten formulierst, desto besser kannst du den Prozess überwachen (im obigen Beispiel: genau fünf Seiten jeden Abend).
- Formuliere einfach. Je simpler, desto besser (zu Beginn erst einmal fünf Seiten, nicht gleich fünfzig).
- Formuliere positiv. Selbst wenn du dir etwas abgewöhnen möchtest, wird es leichter sein, wenn du das ungewünschte Verhalten durch ein gewünschtes ersetzt und deinen Vorsatz entsprechend formulierst.
- Mach es offensichtlich. Je offensichtlicher der Trigger, desto wahrscheinlicher, dass er das gewünschte Verhalten auslöst. Zum Beispiel könntest du dir schon morgens dein Buch aufs Kopfkissen legen. Wenn du abends nach Hause kommst und es dir im Bett gemütlich machen willst, wird es das Naheliegendste für dich sein (auch im wortwörtlichen Sinne), es in die Hand zu nehmen und darin zu lesen.
- Mach es befriedigend. Je besser du dich während bzw. nach der ausgeführten Handlung fühlst, desto leichter wird es dir fallen, sie zu wiederholen: Dieses gute Gefühl und die Neurotransmitter, die damit einhergehen, fungieren als die oben beschriebene Belohnung, welche die Wiederholung der Handlung attraktiver und damit viel wahrscheinlicher macht.
- Mach es attraktiv. An diesem Punkt kannst du vor allem mit deiner Vorstellungskraft arbeiten – wie gut wird es sich anfühlen, wenn die neue Gewohnheit zu deiner täglichen Routine geworden ist? Oder noch besser gesagt: Wenn du zu dieser Person geworden bist, die diese Dinge täglich tut?
36 Ideen für gute Gewohnheiten
Falls du das mit den guten Gewohnheiten jetzt nochmal entspannter angehen möchtest und ein paar Anregungen gebrauchen kannst, hier ein paar Ideen:
- Morgens dein Bett machen
- Kein Smartphone im Bett benutzen
- Zwei Stunden vorm Schlafen nicht auf einen Bildschirm schauen
- Kein Koffein nach 16 Uhr
- Den Schreibtisch aufräumen, bevor du anfängst zu arbeiten
- 30 Minuten lesen
- Mindestens drei verschiedene Sorten Gemüse zu dir nehmen
- Eine*n Freund*in anrufen
- Mindestens 2,5 Liter Wasser trinken
- Meditieren
- Yoga machen
- Vor 7 Uhr aufstehen
- Dankbarkeit artikulieren
- Einen fremden Menschen anlächeln
- Einer Person deine Hilfe anbieten
- Vor 22 Uhr ins Bett gehen
- Nur zweimal am Tag deine E-Mails checken
- Maximal 30 Minuten am Smartphone verbringen
- Spazieren gehen
- Nur achtsam, im Sitzen und langsam essen
- Dich in Achtsamkeit üben
- Eine ungeliebte Aufgabe erledigen
- Auf ein Problem eine positive Sichtweise gewinnen
- Eine Entspannungsübung praktizieren
- Zu festen Zeiten essen
- Tagebuch schreiben
- Müll weitestgehend vermeiden
- Nur eine Folge deiner Lieblingsserie schauen
- Morgens deinen ganzen Tag planen, samt schönen Aktivitäten
- Dir eine Sache überlegen, die du heute gut gemacht hast
- Gesunde und vollwertige Ernährung
- Nichts Unnötiges kaufen oder bestellen
- Kein Fleisch essen
- Keinen Alkohol trinken
- Zeit in ein Hobby investieren
- Eine Sache machen, die dich herausfordert
Ist kenne das Prinzip aus “Kleine Schritte, die Ihr Leben verändern” von Robert Maurer. Heute habe ich mich auf mein Trampolin gestellt und bereits ein wenig gewillt. Nach der 2. Impfung meine vorsichtige Annäherung an Sport. Zum Glück gibt es diese Möglichkeit!
Diese Impulse regen zunächst zum Reflektieren und generellen Nachdenken an. Das bringt, meiner Meinung nach, jeden weiter. Also danke, dass ihr das hier in der Form anmerkt!
Es ist, aus meiner Sicht demnach gut und ein Schritt in die richtige Richtung sich über die Formulierung meiner Vorssätze bewusster zu werden.
Eine Frage hätte ich bezüglich der Ideen- bzw. Anreggungsliste.
Inwiefern ist eine Formulierung mit “Kein” positiv?
Oder ist sie eher eine Negation und wirkt somit mehr negativ als positiv?.
Wenn man die Liste liest könnte mein Unterbewusstsein mir dann nicht schnell eher sagen:
“Smartphone am Bett benutzen!” ?
Das Wort “Kein” nimmt hierbei außerdem nur einen kleinen Teil im Vergleich zum Rest der Notitz ein.
Im Prinzip vergleiche ich grade diese Formulierung mit dem bekannten Beispiel:
“Denken Sie jetzt nicht an einen blauen Elefanten!” (/”Kein Smartphone am Bett”)
Ist dieser Vergleich hier angebracht?
Über eine Antwort würde ich mich freuen : )
Das sind prima Anregungen für mich. Und ich werde es jetzt langsamer angehen, da es in großen Schritten in der Vergangenheit tatsächlich nicht lange angehalten hat.
Vielen Dank für die Tipps!