Emotionale Phasen in der Projektarbeit

Dies ist ein Artikel aus unserem achtsamen Erfolgsjournal Ein gutes Projekt.

Dein Projekt wird nicht nur zeitlich verschiedene Phasen haben – wie Planung, Umsetzung, Korrektur und Abschluss –, sondern jedes Projekt ist auch in emotionale Phasen aufgeteilt. Nach Don Kelley und Daryl R. Conner werden diese unter dem Begriff Emotional Cycle of Change oder ECOC zusammengefasst. Jedes Projekt besteht aus fünf Phasen, und es ist wichtig, dass du diese kennst. Denn so kannst du sie wahrnehmen und besser mit ihnen umgehen, wenn sie an die Tür klopfen.

Phase 1: Uninformierter Optimismus
Das klingt herrlich unbeschwert und positiv, und dies ist auch die aufregendste Phase jedes Vorhabens. Es ist der magische Anfang, wenn du noch voller Vorfreude auf die kommenden Wochen bist. Dies trifft hauptsächlich zu, wenn du ein eigenes Projekt umsetzt, wie die Gründung einer eigenen Firma oder das Schreiben eines Buches. Du bist voller Ideen und Energie, da du aber noch keine konkrete Planung deiner To-dos und noch viel Zeit hast, machst du dir wenig Sorgen. Überarbeitung und Stress sind weit entfernt, alles in dir will loslegen.

Phase 2: Informierter Pessimismus
Das klingt schon weniger nett. Diese Phase beginnt in den ersten zwei bis drei Wochen deines Projektes: Du hast einen groben Zeitplan, du weißt, was zu tun ist, und an den ersten Stellen hakte es sicher schon. Nicht alles läuft so rund, wie du es gern hättest, und vielleicht musstest du schon ein paar Einschnitte in deinem Privatleben und bei den schönen Dingen des Lebens vornehmen. Du bist nicht mehr so sicher, wie toll dein Projekt wirklich ist und ob du das alles überhaupt schaffst.

Phase 3: Das Tal der Verzweiflung
Dies ist der Tiefpunkt jeder Projektarbeit und stellt sich am wahrscheinlichsten in der Mitte deiner Arbeit ein. Du bist komplett im Arbeitsmodus, deswegen spürst du die Euphorie des Neubeginns gar nicht mehr. Aber du hast auch noch nicht so viele vorzeigbare Ergebnisse, dass du sicher sein kannst, das Projekt erfolgreich abzuschließen. Alles dreht sich um deine To-dos und die durch sie bedingten Einschränkungen deines Lebens. Es ist eine ungute Mischung aus Angst, Stress und Ungewissheit. Du musst mehr Kompromisse eingehen, als dir lieb ist.

Phase 4: Informierter Optimismus
Das Gröbste ist geschafft. Die Zeit wird vielleicht knapp, aber deine Aufgaben sind klar und erscheinen machbar. Wahrscheinlich musstest du im Tal der Verzweiflung ein paar Planänderungen vornehmen, den Anspruch an dich und deine Arbeit reduzieren, aber nun scheint das Ziel zum Greifen nah. Auch wenn dich die Ergebnisse bisher nicht komplett befriedigen, gibt dir allein die Tatsache, dass es bald irgendeine Art von Abschluss geben wird, neuen Mut. Du hast deinen Flow gefunden und gute Arbeitsroutinen haben sich etabliert.

Phase 5: Abschluss
Die letzten Tage deiner Projektarbeit sind vielleicht stressiger als alle Tage davor, aber es ist meist sogenannter Eustress, also euphorischer, positiver Stress. Die Aufgaben, die du jetzt erledigst, haben in der Regel einen anderen Charakter als die Knochenarbeit in der Mitte des Projektes, deswegen brichst du langsam aus der Monotonie aus.

Bis auf die dritte sind alle diese Phasen eher unkritisch für deine mentale Gesundheit. In Phase 1: Uninformierter Optimismus musst du nur darauf aufpassen, wegen der großen Anfangsmotivation deine Ziele trotzdem klein zu halten. Erledigt ist immer besser als perfekt, und nur weil du voller Energie bist, solltest du nicht den Anspruch haben, das beste Projekt aller Zeiten umzusetzen. Verinnerliche, dass gut genug eben genau das ist: gut genug, also völlig ausreichend. Halte dich an dein anfangs gestecktes Ziel, und lasse dich nicht dazu hinreißen, dich in unrealistischen Tagträumen zu verlieren.

Das ist konträr zu den meisten Ratgebern auf diesem Gebiet, aber dass so viele Menschen an Burnout leiden, kommt nicht von ungefähr. Du musst nicht um jeden Preis groß denken. Dazu hast du noch genug Gelegenheit, wenn dein Projekt abgeschlossen ist, du positives Feedback bekommst und spürst, dass es größer werden kann. Man kann jedes Projekt im Nachhinein ausweiten, populärer machen, ergänzen. Aber wenn du in der ersten Phase zu viele Dinge willst, wirst du dich schnell verrennen und gefährdest damit nicht nur die Umsetzung deiner eigentlichen Ziele, sondern schadest auch deiner Psyche.

Auch Phase 2: Informierter Pessimismus muss nicht unbedingt so schlecht sein, wie es klingt. Hier kannst du mit guter Projektplanung und einer positiven Grundeinstellung Herausforderungen leicht überwinden. Achte an diesen Tagen einfach verstärkt auf deine Grundbedürfnisse und verschaffe dir Klarheit über deine Prioritäten. Fokussiere dich auf deine eigentlichen Ziele, halte Ablenkungen so klein wie möglich und verbeiße dich nicht in Aufgaben, bei denen es hakt.

In Phase 4: Informierter Optimismus wirst du weniger Verzweiflung spüren, dein Projekt nicht erledigt zu bekommen, denn ein Großteil ist geschafft und es geht schon alles Richtung Abschluss. Du wirst viele offene Fäden haben, die du nun zusammenführen musst. Es gibt unzählige kleine Baustellen, aber das Hauptproblem ist, dass du durch eine sehr harte Phase der Dauerbelastung gegangen bist und die Möglichkeit besteht, dass du ganz einfach etwas überarbeitet bist. Diese Phase bedarf aber erhöhter Konzentration, und diese kann sich nur entfalten, wenn du nun mehr entspannst, mehr Ausgleich schaffst und generell mehr durchatmest.

In der Abschlussphase nehmen Gefühle der Hoffnung automatisch überhand, und sei es auch nur, weil dein Projekt aufgrund einer Deadline bald abgeschlossen sein muss. Das Ende ist also nah, und auch wenn die letzten Tage vorm Ziel sicher noch mal sehr arbeitsintensiv sind, wirst du nicht so sehr leiden wie in Phase 3. Wichtig ist jetzt, dass du das Geschaffte wertschätzt und einen emotionalen Schlussstrich ziehen kannst.

Kategorien Inspiration Psychologie

über

Jan Lenarz ist Gründer und Geschäftsführer von Ein guter Plan. Der mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautor engagiert sich politisch für mentale Gesundheit und schreibt über Achtsamkeit, Depression und Burnout. Er engagiert sich ehrenamtlich als Rettungssanitäter und Erste-Hilfe-Ausbilder. Bei den Einsätzen im Berliner Stadtgebiet wird seine hart antrainierte Gelassenheit regelmäßig auf die Probe gestellt. Website Instagram

11 comments on »Emotionale Phasen in der Projektarbeit«

  1. Bea Dressed

    Erledigt ist immer besser als perfekt.
    Ein toller und prägnanter Leitspruch.

  2. Hallo Jan,
    danke für den tollen Artikel. Ich kann mich in den einzelnen Phasen auf jeden Fall wiederfinden. Eine Anmerkung habe ich aber noch. Wo doch gerade Phase 3 “kritisch für die mentale Gesundheit” ist, wäre es doch vor allem da wichtig zu wissen, wie ich in dieser Phase einen gesunden Umgang mit den Herausforderungen finde. Das würde mich wirklich sehr interessieren.

    Ich mag deine Texte sehr – klug, durchdacht und mitten aus dem Leben. Danke dafür.
    Steffi

    • mm
      AutorJan Lenarz

      Danke für das Feedback! Ja, der Rest steht im Buch aber ich überlege mal, ob ich das hier ergänze.

  3. Der gute “Plan” war und ist ein Teil meines Weges in die Liebe, Glück und Freude. Ich danke dir Jan und allen die mitgemacht haben aus tiefstem Herzen!

  4. Super, danke für das Aufschlüsseln der verschiedenen Phasen. Ich würde noch eine sechste Phase ergänzen und zwar die Reflektion. Der Abschluss kann praktisch so etwas sein wie die abschließende Buchhaltung, den Pressespiegel erstellen, die Beiträge, wenn es ein Event war, auf Social Media posten usw.. Aber dazu gehört auch die Reflektionen. Was ist gut gelaufen? Was will ich das nächste Mal anders machen? Was will ich in Zukunft abgeben? An andere delegieren? Diese Phase ist ganz wichtig und ich versuche dafür immer zwei Wochen im Anschluss an ein Projekt ein mit einzuplanen. Diese Phase ist wie Gold sieben.

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