Zum Erscheinen ihres neuen Buchs Eine gute Frage erklärt die Autorin Lena Kuhlmann, wie viel Macht in guten Fragen steckt.
Ich habe jahrelange Erfahrung im Fragestellen. Das bringt der Beruf einer Psychotherapeutin so mit sich. Leider werden Fragen allgemein unterschätzt, dabei können sie unsere Lebenszufriedenheit enorm steigern und unsere Beziehungen vertiefen. Falsch machen kann man dabei eigentlich nichts: Es gibt ja keine dummen Fragen. Oder?
Ich habe in vielen Fortbildungen und Seminaren zum Thema gesessen und eines kann ich euch gleich zu Beginn sagen: Ein Geheimnis professioneller Fragensteller*innen ist das Zuhören. Im Alltag sind wir schnell abgelenkt und gedanklich schon halb beim nächsten Thema. Habt ihr euch schon einmal 100 % auf das Gesagte konzentriert? Es ist erstaunlich, wie viel man über sein Gegenüber erfahren kann, wenn man wirklich zu verstehen versucht. Will man sichergehen, dass man richtig zugehört hat, kann man das Gesagte noch einmal in eigenen Worten wiederholen, paraphrasieren genannt. Meist ergeben sich dann Anschlussfragen zur Vertiefung wie von selbst und das Gespräch ist viel intensiver. Mein erster Tipp klingt nach wenig, bedeutet aber viel.
Aufmerksames Zuhören ist richtig anstrengend und erfordert eine sehr hohe Konzentration.
Nicht jede Frage ist eine gute Frage, zumindest aus Sicht einer gelungenen Gesprächsführung. Geschlossene Fragen beispielsweise sind eher ungünstig. Es sind Fragen, die man nur mit Ja oder Nein beantworten kann. Stellt euch mal ein Radiointerview vor, das nur aus geschlossenen Fragen bzw. entsprechenden Antworten besteht. Ja. Nein. Ja. Ja. Das wäre sehr eintönig. Und viel schlauer ist man nach dem Gespräch vermutlich auch nicht.
Zu den geschickteren Fragen zählen die sogenannten „offenen Fragen“. Es sind Fragen, die man nicht mit Ja oder Nein abtun kann und die Raum für eine ausführliche Antwort lassen. Das Gegenüber erfährt also deutlich mehr. Gute Fragen sind außerdem wertfrei, weil man frei denken kann, ohne vorverurteilt zu werden. Richtig gute Fragen können eine vollkommen neue Perspektive auf ein Thema eröffnen.
Das kann man sehr eindrücklich bei meinen Kolleg*innen aus der Systemischen Therapie beobachten. Durch ihre Methode der „zirkulären Fragen“ schaffen sie es, dass das Gegenüber das Thema sozusagen aus der Brille einer weiteren Person betrachtet.
Woran könnten andere merken, dass es dir gerade körperlich oder psychisch nicht gut geht?
Eine gute Frage, Frage 35
Fragen helfen also zu verstehen. Fragen bringen uns Antworten. In Beziehungen sind sie wichtig, um unsere Vorstellungen und Erwartungen abzugleichen. Wir können einander intensiv kennenlernen, wenn wir uns die richtigen Fragen stellen. Und spannende Gespräche führen.
Es gibt aber auch Fragen, die wir uns selbst immer wieder stellen sollten. Wir entwickeln uns jeden Tag weiter, deswegen ist ein regelmäßiger innerer Frühjahrsputz ratsam.
Vielleicht warst du in deiner Familie immer die oder der Stille und hast auf diese Rolle keine Lust mehr? Vielleicht haben dich Ängste bisher davon abgehalten etwas total verrücktes, aufregendes zu tun? Vielleicht bist du doch nicht der Typ für eine Wohngemeinschaft? Vielleicht tut dir diese Freundschaft schon lange nicht mehr gut? Vielleicht verändern sich die Welt und deine Prioritäten, weil wir gerade mitten in einer Pandemie stecken?
Große und kleine Veränderungen fangen immer im Kopf an, meist mit Fragezeichen am Ende.
Fragen helfen uns dabei uns selbst und die Welt ein bisschen besser zu verstehen und sind ein Wegweiser für das persönliche Glück. Wer sich und sein Handeln verstehen will, findet nur Antworten, wenn er oder sie auf die Suche geht. Und das immer wieder von Neuem.
Ich gebe zu, das ist nicht immer angenehm. Es gibt Fragen, die ziemlich weh tun und die alten Wunden aufreißen. Verdrängung kann dann hilfreich sein, als eine Art Schutzmechanismus der Psyche. An einer Auseinandersetzung mit unbequemen Themen zu gegebener Zeit können wir aber wachsen und uns weiterentwickeln.
Woran sind deine vorherigen Beziehungen gescheitert?
Eine gute Frage, Frage 29
Fragen an sich und Fragen an andere sind also das Salz in der Suppe des Lebens. Deswegen haben wir ihnen ein ganzes Buch gewidmet, mit 100 Fragen zu den wichtigsten Themen des Lebens. Für echte Erkenntnisse und ganz viele Aha-Momente, psychotherapeutisch fundiert, nach Themen und Tiefegrad sortiert.
Eine gute Frage ist dein Begleiter auf einer spannenden Reise zu dir selbst. Und hoffentlich ein kleines Trostpflaster in dieser kalten Pandemie: Vielleicht kannst du deine Freunde und Familie gerade nicht treffen, mit unseren Fragen kannst du ihnen aber dennoch nah sein!
10 Kommentare zu “Wie man richtig gute Fragen stellt – an sich und andere”