Yogalehrer*in – ein entspannter Beruf?
Bevor ich vor zwölf Jahren meine Yogalehrerinausbildung machte, habe ich meine eigenen Yogalehrer*innen angehimmelt und mir ihr Leben extrem entspannt vorgestellt: ein bis zwei Yogaklassen am Tag unterrichten, jeden Morgen selbst praktizieren, an Workshops teilnehmen oder unterrichten und ab und zu mal auf ein Retreat fahren. Dieses Leben wollte ich auch! Dem Dauerstress von meinen bisherigen Jobs in PR-Agenturen und Werbefilmproduktionen – bestehend aus Abgabeterminen und Drehs, die innerhalb kürzester Zeit organisiert werden mussten – sagte ich auf Nimmerwiedersehen und warf mich als Yogalehrerin in die Freiberuflichkeit.
In den ersten Jahren freute ich mich über jede einzelne Klasse, die dazukam und ich fühlte mich sehr geehrt, an so vielen tollen Orten unterrichten zu können. Es machte mir nichts aus, am späten Abend mit einem knurrenden Magen nach Hause zu kommen, nachdem ich den ganzen Tag durch die ganze Stadt gependelt war. Für eine Privatstunde wäre ich sogar bis an den Stadtrand gefahren. Auf dem Weg von einem Businessyogatermin zum nächsten Studio trank ich schnell mal einen Smoothie, einen Soja-Latte oder aß einen Müsliriegel, um wieder neue Energie zu bekommen. Der einzige Wermutstropfen waren die Stunden am Samstag oder Sonntagmorgen, denn es machte einfach keinen Spaß, mit den Freunden auszugehen und immerzu auf die Uhr zu schielen und mich zu verabschieden, wenn es gerade am lustigsten wurde, damit ich am nächsten Morgen ausgeschlafen meine Yogaschüler*innen begrüßen konnte. Denn wer wollte schon eine müde Yogalehrerin, die selbst kaum im Baum die Balance halten konnte?
Im Grunde genommen war ich ebenso beschäftigt wie vorher in meinen anderen Jobs, nur glücklicher, weil sich die Teilnehmer*innen nach den Stunden entspannt, mit strahlenden Augen und aufrechtem Gang von mir verabschiedeten und für mich alles mehr Sinn ergab.
Alles lief wunderbar, bis ich irgendwann anfing, mich während des Unterrichtens zu fragen, ob ich die Ansage gerade schon gemacht hatte oder nicht, welche Seite gerade dran war, wie noch mal die gut durchtrainierte Blonde hieß, die schon seit Jahren immer dienstagabends kam oder ob nun die Schwangeren oder frischgebackenen Mütter vor mir saßen. An diesem Punkt spürte ich, dass ich mich wohl etwas übernommen haben musste. In einigen Klassen, in denen immer wieder die gleichen Übungen gemacht werden, wie im Pre- und Postnatalyoga, kam ich mir bereits vor wie ein Autopilot. Abgesehen davon, zerrte es mit der Zeit ganz schön an meinen Kräften, gegen zehn brüllende Babys und ihre übermüdeten Mütter, die sich während des Yogas darüber austauschten, was ihre Babys schon alles könnten oder nicht und wie oft sie nachts geweckt würden, anzukommen.
Am liebsten wäre ich selbst mal auf ein Retreat gefahren, um mich zu erholen und aufzutanken und hätte mich von tollen Yogalehrer*innen, leckerem Essen und frischer Luft verwöhnen lassen. Leider reichte aber trotz all der vielen Stunden das Geld nicht, denn die Fixkosten, Versicherungen und die Studiomiete mussten natürlich weitergezahlt werden. Einen Stundenausfall konnte ich mir daher gar nicht erlauben.
Wohlfühlinseln als fest eingeplante Rituale
Damit ich nicht in einem „Yogalehrer-Burn-out“ landete, entschied ich mich für das Prinzip „Weniger ist mehr“: Zuerst strich ich die Stunde am Sonntagmorgen, um mal wieder einen Tag freizuhaben. Als nächstes gab ich den sehr beliebten Samstag auf, denn ich musste schließlich auch mal etwas einkaufen. Später mussten meine Abendklassen bis auf eine daran glauben und zum Schluss einige der Postnatalyoga-Klassen. Bei jeder Yogastunde, die ich weniger unterrichtete, atmete ich auf und hatte umso mehr Freude an den Klassen, die mir noch blieben. Statt der vielen Kurse bündelte ich meine Energie, indem ich Workshops und Retreats zu speziellen Themen und an besonderen Orten anbot.
Mein Weg, mehr Zeit für mich selbst im Alltag zu verankern, waren meine kleinen Wohlfühlinseln: Wann immer ich es möglich machen konnte, plante ich eine Stunde für das Mittagessen ein und suchte mir dafür schöne Orte aus. Ab und zu gönnte ich mir eine Massage, ein Facial oder auch eine Yogastunde, bei der ich einfach Schülerin sein durfte. Diese Me-Momente zelebrierte ich so sehr, dass ich dadurch wunderbar auftanken konnte.
Heute, zwei quirlige Racker (vier und neun Jahre) später, habe ich mir meine „Wohlfühlinseln“ als fest eingeplante Rituale bewahrt. Wie sollte ich meinen Yogaschüler*innen sonst erzählen, sie sollten wie im Flugzeug, „erst sich selbst, dann dem Kind die Sauerstoffmaske aufsetzen“, wenn ich mich selbst vernachlässigte? Ich wollte keine abgehetzte Mama und Yogalehrerin sein, sondern als entspannte Mutter ein gutes Vorbild abgeben. Deshalb ist die Selbstfürsorge für mich extrem wichtig.
Um in Balance zu bleiben zwischen Familie und beruflichem Leben habe ich ein paar Mantras, die mir Kraft geben.
Meine fünf Mantras für mehr Om im Alltag
1. So Ham – Ich bin der, der ich bin! Oder auch „I am enough“!
Mein Lieblingszitat von Oscar Wilde bringt es auf den Punkt: „Sei du selbst, denn alle anderen gibt es schon.“
Du bist nicht dein Instagram Account. Als Yogalehrer*in brauchst du keine waghalsigen Stellungen auf hohen Felsen oder an weißen Stränden mit türkisfarbenem Meer. Du musst nicht immer das neueste (Yoga-)Outfit haben. Du musst nicht bei jedem/jeder Starlehrer*in oder Mentor*in gewesen sein, um deinen Lebenslauf damit glänzen zu lassen. Auch die Anzahl deiner Facebook-Fans sagt nichts über deine Qualität aus. Was zählt, ist, dass dich dein Leben glücklich macht und erfüllt. Wenn du strahlst, ziehst du die richtigen Menschen an und kannst ihnen etwas weitergeben.
2. Santosha – Sei zufrieden, mit dem, was ist! Vergleiche dich nicht mit anderen und frage dich nicht, wer beliebter oder erfolgreicher ist. Sei dankbar, dass es Menschen gibt, die gerne zu dir kommen, dir vertrauen und von dir lernen wollen. Sehr effektiv, um mehr Zufriedenheit ins Leben zu bringen, ist ein Dankbarkeitstagebuch, in welches du jeden Tag deine 5 Punkte hineinschreibst, für die du dankbar bist.
3. Sadhana – Setze dir feste Zeiten und den passenden Ort für die eigene Praxis, egal ob Yoga, Meditation oder deine Herzensangelegenheit. Vernachlässige dich und deine Praxis nicht. Don’t talk the talk, walk the walk! Du kannst nur das weitergeben, was du selbst auch fühlst und erlebt hast.
4. Satya – Sei wahrhaftig und authentisch! Du musst nicht den Guru spielen! Niemand kann den ganzen Tag mit einem zufriedenen Lächeln durch die Gegend laufen. Auch kein*e Yogalehrer*in. Wenn es mir mal nicht so gut geht oder etwas in meinem Leben schiefläuft, dann sage ich das auch. Stay true to yourself!
5. Samadhi – Die absolute Verschmelzung mit dem Moment, die wir in der Meditation erfahren, soll zur Erleuchtung, zum Einssein mit dem Göttlichen führen. Dies ist das Ziel, die höchste Stufe im Yoga und nicht, wie fortgeschritten die eigene Yogapraxis ist.
Auf den Alltag übertragen bedeutet Samadhi für mich, die jeweilige Aufgabe achtsam und mit Disziplin wie eine Meditation auszuführen, anstatt alles gleichzeitig zu tun. Mir helfen dabei überschaubare, nicht zu überladene Tages- und Wochenpläne. Morgens freue ich mich richtig darauf, das Wichtigste herauszusuchen. So sehe ich eher Erfolgserlebnisse, als wenn die To-Do-Listen niemals aufhören.
Wenn alles, was du dir vorgenommen hast, erledigt ist, feiere deine Erfolge! „Erleuchtung“ geschieht ja nicht erst in der Abgeschiedenheit eines Klosters, sondern im Hier und Jetzt, mitten in unserem Leben. Die Momente, in denen wir in Frieden sind mit uns selbst, unseren Kindern und unserer Umgebung und wir eins sind, mit dem was wir tun, bringen uns zum Leuchten.
Dies ist einer der neun Gastartikel aus unserem Ein guter Plan 2017, den wir hier exklusiv veröffentlichen. Du kannst das Buch in unserem Shop bestellen.
Vielleicht warst du schon einmal in einer ähnlichen Situation, oder hast auch einen guten Tipp für mehr Ausgleich im Leben. Wir freuen uns, wenn du deine Tipps und Erfahrungen in den Kommentaren teilst.
2 Kommentare zu »Fünf Mantras für ein stressfreies Leben«
2 Gedanken zu „Fünf Mantras für ein stressfreies Leben“
Danke, was für schöne Anregungen 🙂 <3
Sehr schön geschrieben! 🙂 ich bin momentan auch dabei mein Leben komplett zu ändern bzw. habe es schon. Meine to – do Listen werden eher länger statt kürzer und ich weis nicht recht wie ich meinen Tag besser sturkturieren soll um das ganze besser auf die Reihe zu bekommen? Habe mir einen podcast angehört über kreative Chaoten, das bin ich wohl durch und durch, trotzdem arbeite ich an meiner Selbstständigkeit/ an meinem eigenen buisness und auch an meinem eigenen Blog und will das ganze irgendwie gebacken bekommen! Hilfeee
Was sind deine besten Tipps dafür? Liebe Grüße 🙂