Krisen sind nicht immer Chancen: Warum wir erst mal heilen müssen

Ein Mythos über Krisen lautet: Sie sind immer auch Chancen. Dem ist nicht so, denn vor Wachstum kommt die Heilung, und die kann es nur geben, wenn wir den Schmerz nicht ignorieren. Aber in unserer wachstumsorientierten Welt scheint kein Platz dafür zu sein. Wie kann kollektive Heilung nach der Corona-Pandemie aussehen?

Doofe Hobbys habe ich ja viele. Meine unsinnigste Freizeitbeschäftigung ist aber sicher das Lesen von Newslettern von Erfolgscoaches, die ich über alle Maße verabscheue. Ich mag das Gefühl der Fremdscham bis hin zur Gänsehaut, wenn ich Dinge wie „Wenn du keinen Erfolg hast, arbeitest du nicht hart genug!“ oder „Generiere jetzt dein passives Einkommen und arbeite nie wieder!“ oder „Du kannst alles schaffen, wenn du dich nur anstrengst!“ lese.
Besonders perfide und ganz neu in dieser Welt der neoliberalen Alptraumrhetorik: „Nutze die Pandemie als Chance und gehe als Gewinner aus der Krise!“ Die Pandemie als Chance. Soso. Eine halbe Million Tote, aber egal, wenn du jetzt online skalieren kannst, wa?

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt?

Versteht mich nicht falsch, Menschen können an Krisen wachsen. Eine Katastrophe hat, ist sie einmal überstanden, das Potenzial eines Neuanfangs. In Scherben können neue, positive Glaubenssätze glitzern. Meistens schneidet man sich aber einfach nur.

Ich finde es zynisch, jetzt ausschließlich in Wachstumsbegriffen zu denken. Sofort wieder in die Hände zu spucken ist nicht nur aus hygienischen Gründen eine eher schlechte Idee. Denn ich glaube: Wir überspringen da etwas. Auf eine Krise folgt nicht automatisch Wachstum. Krisen bestehen erst mal nur aus Schock, Wut und Schmerz. Die Überwindung dieser Phase kann nur gelingen, wenn die begleitenden negativen Gefühle wahrgenommen und akzeptiert werden. Ich plädiere nicht dafür, dass wir nun eine Anstandswoche an Trauer einlegen, so funktioniert das auch nicht. Die beste Strategie für die Aufarbeitung von Schicksalsschlägen ist ein Wechselspiel aus Trauer und Ablenkung, Trauer und Hoffnung, Trauer und Neuorientierung. Aber eben nicht nur Ablenkung, Hoffnung und Neuorientierung. Dabei ist Trauer auch nicht gleichbedeutend mit traurig sein. Trauer kann auch Wut sein. Verzweiflung. Angst. Hass. Unsicherheit.

Ich habe das Gefühl, dass wir diesen Emotionen keinen Raum mehr geben, weil wir in einer erfolgsorientierten, hedonistischen Gesellschaft leben, in der es für Schmerz keinen Platz gibt. Trauer als ultimatives Tabu in einer Welt, in der Freude und Glück als einziger Maßstab für „das richtige Leben“ gilt.

Leid als ultimatives, individuelles Versagen?

Wir können nicht einfach so weitermachen, als ob nichts wäre. Studien kamen immer und immer wieder zu dem Ergebnis, dass Menschen nur an Krisen wachsen, wenn nicht von ihnen gefordert wurde, sofort weiterzumachen wie bisher. Wenn sie Zeit hatten, ihr neues Leben von allen Seiten zu beleuchten und so zu neuen, positiven Glaubenssätzen gekommen sind. Und, wenn sie sich mit anderen über ihre Gefühle austauschen konnten. Freund*innen, Familie, Therapeut*innen: Menschen, die ihren Schmerz verstehen.

Aber es scheint, als ob uns dieses Recht auf Heilung nicht gestattet wird. Nicht nur nicht von Erfolgscoaches (von denen ich das auch gar nicht erwarte), aber auch nicht von uns selbst. Ja, ich weiß, wir haben alle keine Zeit dafür, fast alle von uns befinden sich in extrem unsicheren Verhältnissen. Allein in Deutschland sind über zwei Millionen Menschen in ihrer Existenz bedroht, ein ganzes Fünftel dieses Landes muss jetzt mit weniger Einkommen zurechtkommen als vor der Krise. Aber wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir nun kollektiv so tun, als ob wir einfach weitermachen können, als ob nichts passiert wäre. Wir sollten aufhören, Leid per se als ultimatives, individuelles Versagen zu definieren.

Ich fordere nicht, dass wir jetzt alle erst mal Urlaub machen, die Möglichkeiten hat kaum jemand. Es geht allein um einen inneren Prozess, der weder Zeit noch Geld bedarf. Es geht um deine innere Stimme, die von dir vielleicht verlangt, dass du dich jetzt wieder so richtig ins Zeug legst und die dir erzählen will, dass die letzten Monate Entschleunigung waren. Aber das war keine echte Entschleunigung, sondern erzwungener, von Unsicherheiten geprägter Stillstand. Das ist etwas ganz anderes.

Wenn die Pandemie eine Chance in sich trägt, dann nur die, dass wir nun ernsthaft überlegen können und müssen, was wir verloren haben. Was wir verändern wollen. Was wir wiederaufbauen wollen. Und was nicht. Aber dafür braucht es schonungslose, schmerzhafte Selbstreflexion. Denn von allein werden wir nichts verändern. In Krisen stecken nicht automatisch Chancen. Das ist ein gefährlicher Mythos. Manchmal ist eine Situation einfach nur furchtbar und nichts Gutes entsteht aus ihr. Sehen wir das nicht ein, tragen wir im schlimmsten Fall unsere Verletzung einfach nur mit uns herum.

Erst Heilung, dann Wachstum

Es ist Zeit für Fragen, die wehtun

Oft enden meine Artikel mit konkreten Tipps, wie man das Kernthema denn nun positiv auflöst, aber diesmal kann ich keine Antworten geben. Ich bin Autor für Achtsamkeit und Selbstreflexion und kann nicht mehr leisten, als darauf hinzuweisen, dass wir auf der Hut sein müssen, wenn wir jetzt wirklich etwas verändern wollen. Dass von allein nicht automatisch alles besser, sozialer und irgendwie anders wird. Und dass wir, verdammt noch mal, mehr Raum für Schmerz brauchen, wenn irgendetwas wie eine Chance entstehen soll. Was ich aber diesmal – statt Antworten – geben kann, sind Fragen.

1. Was oder wer hat dir in der Krise gefehlt?
Das Yoga-Studio? Der Mannschaftssport? Die Bars, Restaurants, Kinos und Theater? Die sozialen Kontakte? Welche genau? Und welche gar nicht? Brauchst du diese Menschen dann wirklich in deinem Leben? Mit wem hast du in den letzten Wochen kommuniziert? Bei wem hast du dich gefragt, wie es ihr*ihm geht? Bei wem interessiert es dich jetzt? Wer hat sich für dich interessiert? Wie die Verlegerin Maria Anna-Schwarzberg gesagt hat: „Wie geht’s“ hat in den letzten Wochen zeitweise eine echte Bedeutung bekommen und war oft viel ernster gemeint als sonst.
Ich muss mich z. B. ernsthaft fragen, warum ich das Kulturleben erschreckend wenig vermisst habe. Warum lebe ich eigentlich in Berlin, wenn ich dessen Kulturleben nicht nutze und in keinem nennenswerten Umfang an der Club- und Ausgehkultur teilnehme?

2. Hast du jetzt eine schlechtere Meinung von deinen Mitmenschen oder eine bessere?
Für beides lassen sich ganz fantastische Argumente finden. Corona-Partys, Hamsterkäufe, Verschwörungstheorien: Ist dein Fokus auf diese Art individueller und kollektiver Verfehlungen groß, müssen die letzten Monate für dich besonders anstrengend gewesen sein. Hast du ein wachsames Auge auf soziale Ungerechtigkeit, werden dich unzureichende Soforthilfen und Förderungen oder unklare Betreuungssituationen für Kinder und ähnliche institutionelle Schwächen sicher völlig in den Wahnsinn getrieben haben, sodass du jetzt vielleicht noch schlechter von dieser Gesellschaft denkst, als dies vorher der Fall war oder sich deine negative Sichtweise zumindest verfestigt hat.
Andererseits: Wir haben die Curve geflattet. Ohne die breite Akzeptanz der Gesellschaft von zeitweise mehr als 80 % in der Bevölkerung bezüglich Einschränkungen und restriktiven Verhaltensweisen wäre dies gar nicht möglich gewesen. Dafür war auch ein großes Vertrauen von Bürger*innen und Politik in die Wissenschaft nötig, was keineswegs selbstverständlich für eine Gesellschaft ist, in der Wissenschaftsfeindlichkeit mit informierter Skepsis gleichgesetzt wird.
Dazu kommt ein großes Maß an Solidarität, Nachbarschaftshilfen und die Tatsache, dass all die Maßnahmen nur ergriffen wurden, um Risikogruppen zu schützen und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Das ist keineswegs selbstverständlich! Nicht nur in den USA waren die Forderungen laut, die Wirtschaft kein bisschen runterzufahren und Tote einfach in Kauf zu nehmen. Ist die Gesundheit der Gesellschaft am Ende doch wichtiger, als die Gewinne der Gewerbe? Diese Faktoren würden durchaus einen leicht optimistischen Blick auf unsere Zivilisation erlauben.
Da diese Frage sehr komplex ist, muss deine Antwort auch nicht eindeutig das eine oder das andere sein. Auch „Menschen können in ihrer eigenen Bezugsgruppe ganz schön dumm sein, aber es ist nicht jede Hoffnung verloren“ wäre beispielsweise eine gute Erkenntnis.

3. Wie geht es deiner mentalen Gesundheit?
Warst du resilient genug und denkst, du hast keine bleibenden Schäden davongetragen? Oder fühlst du dich jetzt kaputt, erschöpft und ohne Halt? Hast du dich einsam gefühlt? Und wenn ja, wie schmerzhaft war das Gefühl? Haben dich die ganzen Tipps für Beschäftigung im Homeoffice vielleicht gestresst? Wirkten sie oft zynisch? Fehlt dir die Arbeit im Büro und ist die Digitalisierung vielleicht doch nicht die Lösung, auch wenn sich gezeigt hat, dass technisch sehr viel möglich ist? Hattest du Angst, dich selbst anzustecken? Was hat es mit dir gemacht, als du erfahren hast, dass auch immer wieder gesunde Menschen aller Altersgruppen sterben können? Hast du dich in diesen Momenten mit deiner eigenen Sterblichkeit beschäftigt? Und wenn nicht, warum nicht? Macht es etwas mit dir, dass 350.000 bis 500.000 Tote zu beklagen sind? Oder ist die Zahl schon so groß und abstrakt, dass sie gar nichts in dir auslöst? Und wie trauert man eigentlich um eine große, anonyme Masse?
Und ganz allgemein: Wie hast du dich, ganz persönlich in den letzten Monaten, geschlagen? Bist du vielleicht sogar positiv von dir überrascht? Fühlst du dich vielleicht schlecht, weil es dir vergleichsweise ziemlich gut ging? Hast du die Krise doch als Entschleunigung wahrgenommen und das Gefühl gehabt, nicht ständig etwas zu verpassen? Und: Wie fühlt es sich an, etwas durchgemacht zu haben, über das es bald Filme, Serien und viele, viele Bücher geben wird?

4. Ist die Krise wirklich eine Chance für die Umwelt, wenn sich nun alle nach Normalität sehnen?
Klares Wasser in Venedig, saubere Luft in vielen Großstädten, streunende Schafe auf Istanbuls Autobahnen. Diese Vorher-Nachher-Bilder machen sich gut auf Social Media. Warum sie als Rettung der Umwelt gefeiert wurden, ist mir aber nicht klar, denn es fehlt das Nach-dem-Nachher-Bild. So ist die Luftqualität nach dem Lockdown wieder auf dem Weg zu Prä-Corona-Zeiten und es gibt auch keine Schafe mehr auf Autobahnen.
Ändert sich wirklich das System, weil es für ein paar Wochen kollabiert war? Oder wurde es sogar gestärkt, weil es allen Menschen so viel schlechter ging, als es zum Stillstand kam? Führt das nicht dazu, dass viele Menschen jetzt weniger Akzeptanz für Kompromisse, Verzicht und Einschränkungen haben? Führt das alles zu weniger Kritik an unserem System, weil vielen jetzt erst der Wert ebendiesem klar wurde? Oder haben wir jetzt doch alle gelernt, wie wenig wir eigentlich zum Überleben brauchen und Konsumkritik wird gesellschaftsfähiger? Auch hier gilt: Nur weil es eine Krise gab, ist noch lange keine Chance für positiven Wandel ergriffen.

Kein nachhaltiger Rückgang: Stickstoffdioxid-Belastung vor, während und nach dem Lockdown in China © NASA

. Was kommt jetzt?
Hast du einen Plan für den Rest des Jahres? Oder brauchst du vielleicht keinen? Gab es Forderungen in deiner Branche, diese nach dem Lockdown sozialer zu gestalten, wie es z.B. in Pflegeberufen der Fall war? Und drohen diese Forderungen jetzt unterzugehen, weil die Aufmerksamkeit nur kurzfristig war? Was muss getan werden, damit echter Wandel entsteht?
Und was brauchst du jetzt? Mehr Gemeinschaft? Mehr Sport? Oder doch einfach nur mehr Normalität? Wenn ja, kannst du es dann nachvollziehen, wenn das allen Menschen so geht und sich genau deswegen keine echten Reformen durchsetzen? Oder verspürst du doch so etwas wie Selbstwirksamkeit und Aufbruch?


Dies sind nur Beispiele, mit denen wir uns nun ausgiebig beschäftigen sollten. Es gibt Millionen weitere mögliche Fragen. Ich möchte mit diesem Text nur auf zwei Dinge hinweisen: Erstens, dass es unwahrscheinlich ist, dass wir alle gestärkt aus der Krise gehen, wenn wir diesen Prozess der Reflexion überspringen. Dass wir uns erst fragen müssen, was wir brauchen, bevor wir verkünden können, was wir jetzt wollen. Und zweitens, dass das Streben nach Altbekanntem jetzt groß ist und wir achtsam bleiben müssen, damit sich Dinge wirklich zum Positiven verändern.

Nimm dir die Freiheit, dich jetzt mit den großen Fragen des Lebens zu beschäftigen. Du hast verdammt noch mal gerade eine globale Pandemie überlebt und hattest dabei mehr Glück, als viele hunderttausend andere Menschen. Lass dir nicht einreden, dass Aufbau und Wachstum jetzt das einzige ist, was zählt. Akzeptiere deine Wunden und verlange nicht zu viel von dir. Und dann ergibt sich, mit der Zeit, so etwas wie Heilung. Und erst darauf blüht dann auch zarter, aber nachhaltiger, Wachstum.


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Kategorien Achtsamkeit Corona Mentale Gesundheit Selbsthilfe

über

Jan Lenarz ist Gründer und Geschäftsführer von Ein guter Plan. Der mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautor engagiert sich politisch für mentale Gesundheit und schreibt über Achtsamkeit, Depression und Burnout. Er engagiert sich ehrenamtlich als Rettungssanitäter und Erste-Hilfe-Ausbilder. Bei den Einsätzen im Berliner Stadtgebiet wird seine hart antrainierte Gelassenheit regelmäßig auf die Probe gestellt. Website Instagram

52 comments on »Krisen sind nicht immer Chancen: Warum wir erst mal heilen müssen«

  1. Danke für diesen großartigen Text, der meine Gedanke so wundervoll sortiert wiedergibt.
    Ich werde zielführender weiterdenken.

  2. Anke Stein

    Sehr bemüht, wirklich sehr bemüht…meine Güte, ist das bemüht…

  3. Vielen Dank für diesen großartigen Text. Ich sitze gerade im 2. Lockdown aufgrund regionaler unschöner Ereignisse. Da kommt der Text gerade recht. Denn nun wird alles auf dieses eine Ereignis hier in der Gegend geschoben. Ist ja auch einfacher, wieder die Opferhaltung. Dass wir aber auch ohne dieses Ereignis in einer noch immer sehr fragilen Zeit leben und noch länger leben werden, wird vergessen. Eben weil viele Mitmenschen schon seit den ersten Lockerungen weiter machen, wie bisher. Denn lernen aus der Krise?…da bin ich bei den meisten Menschen skeptisch. Eben weil ich keiner mehr Zeit nehmen kann/ will zu reflektieren.

  4. Hallo Jan!

    Vielen Dank für diesen zum Nachdenken anregenden Artikel! Ich kann ihn von A-Z unterschreiben.
    Für mich bedeutet allerdings auch Heilung eine Chnace! Oder Reflexion oder vielleicht auch nur ganz bewußt wahrnehmen, dass da gerade etwas geschieht, was einfach nur Scheiße ist. Oder veilleicht sehen wir auch ganz kleine Freuden wieder bewußter, wie z.B. die blühende Wiese im Park, weil nicht alle drüber latschen und alles kaputt treten.
    Selbst von solchen Gefühlen haben wir uns doch ständig abgelenkt. Für mich sind auch das alles Chancen.
    Also, Die Krise vielleicht doch als Chance???

    • mm
      AutorJan Lenarz

      Ja, es stecken durchaus Chancen in Krisen, aber nicht so pauschal und nicht automatisch wie das manchmal suggeriert wird.

  5. Hi Jan, danke für deine Fragen. Ich hatte noch ganz viele andere, die in die entgegen
    gesetzte Richtung gehen. Ich habe mein Unternehmen nicht retten können, diese Branche (Indoorspielplatz mit pädagogischem und grünem Herzen) ist in so einer Krise nicht zu retten, sie lebt von der zahlreichen Anwesenheit von Familien. Ich war erst gechillt, da ja meine Fläche auch von einer Kindertagespflegegruppe genutzt wird und dies weiter gezahlt wurde. Ich dachte ach die zwei Wochen schaffe ich auch ohne die anderen Einnahmen. Dann beschäftigte ich mich mit all den Themen drum herum doch. Ich wurde mit alternativen Quellen gefüttert und wurde immer wütender. Dann stellte sich heraus, das mein Unternehmen keinerlei Entschädigung erhält und ich musste einen Exitplan machen und nach zwei Wochen Suche nach alternativen Lösungen, komplett den Exitplan in Gang setzen. Ich schmiss Facebook, WhatsApp und Instagram raus und kaufte mir ein Tastenhandy mit einer neuen Handynummer. Ich zog mit meiner Familie in ein Mietshaus mit großem Grundstück und bin seitdem körperlich so gefordert das ich einschlafen kann. Ich lese schon seit Jahren keine Zeitung mehr, schaue keinen TV und höre kein Radio und in dieser Zeit erst recht nicht mehr. Ich bin auch nicht bereit meine Nerven als Unternehmerin bei meiner Familie abziehen zu lassen für all die scheiß-Regeln die sich irgendwann mal jemand überlegt hat, heute nicht in Frage gestellt werden und einfach nur Geld kosten. Ich werde ab 2021 keine Selbstständigkeit mehr anstreben und wenn doch, dann werde ich alle Schlupflöcher nutzen, die es gibt. Ich bin also mehr für mich am Einstehen und die Rosarote Brille ist ab. Heilung für meinen Schmerz wünsche ich mir und ich heule einfach am Tag rum und schäme mich null dafür und die Frage von Leuten…”Ist alles gut?” bekommen sie mit “NEIN” beantwortet.

  6. DANKE!
    Das ist das erste Mal, dass ich seit der Krisenzeit einen Artikel aus dieser Perspektive lese. Und ich fühle mich verstanden. In der Lockdown-Zeit wurde von uns erwartet, dass wir alles gleichzeitig können. Irgendwie funktionieren – für die Wirtschaft und die eigene Existenz. Und noch bevor überhaupt der Rahmen geschaffen ist durchzuatmen ging es schneller zurück ins Hamsterrad als ich begreifen konnte. Die unterschwellige Erwartung fühlt sich für mich so an, dass einfach noch ein bisschen schneller gerannt werden muss, um die letzten Wochen wieder reinzuholen. Aber das geht nicht. Jetzt weiß ich noch besser warum und habe kein schlechtes Gewissen, dass ich Zeit zum Nachdenken und eine Neuordnung benötige, um für das was weiter auf uns zu kommt gestärkt zu sein.

  7. Danke für diesen Artikel, diese ganze “jetzt sofort die Krise als Chance nutzen!”-Mentalität finde ich auch sehr kritisch (und komplett gegensätzlich zu den Behauptungen, die meistens im gleichen Atemzug kommen, dass wir ja sooo viel aus der Krise gelernt haben).

    Vor allem überspringen wir nicht nur die dringend nötige Reflexion, sondern auch einen Punkt, der eigentlich noch vorher liegen sollte, und an dem wir noch gar nicht angekommen sind (auch, wenn sich die meisten schon noch so verhalten), nämlich das tatsächliche ENDE der Pandemie…

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