Wir haben mit dem Red Dot gerade einen der wichtigsten Designpreise auf diesem Planeten erhalten und freuen uns sehr über diese Auszeichnung. Dieser Artikel soll einen kleinen Einblick in die Abgründe des Grafikdesigns liefern.
Schon als ich monatelang an meiner Bewerbungsmappe für das Designstudium zeichnete war der Red Dot Design Award ein großer Lebenstraum. Denn was für die Filmbranche die Acadamy Awards sind, ist für Gestalter*innen und Kreative der Red Dot. Dieser seit über 60 Jahren verliehene Preis ist quasi der Ritterschlag für Grafikdesign. Die internationale Fachjury prämiert nun also Ein guter Plan mit dem Red Dot Award: Communication Design 2017. Als ich die Benachrichtigung in unserem wöchentlichen Teammeeting eher nebenbei las, konnte ich das kaum glauben.
Obwohl, doch. Ich würde mich eher als bescheidenen Zeitgenossen bezeichnen, aber bei Gestaltung weiß ich: da habe ich ein Händchen für. Und ich weiß auch, dass Ein guter Plan meine bisher wahrscheinlich beste Arbeit ist. Da stapel ich jetzt mal nicht tief, das mache ich morgen wieder. Aber auch ohne Milenas konstantes Feedback zum Design wäre das Buch nicht das, was es heute wäre. Eine Meinung von jemandem, der/die einen anderen grafischen Stil hat ist Gold wert und zeigt schnell auf, wo die eigenen Schwachstellen liegen. Denn Gestaltung, die nur einem oder im schlimmsten Fall nur sich selbst gefällt, ist recht unnütz.
Ich möchte die Gelegenheit nun nutzen, ein paar Designaspekte des Buches zu erklären. Denn Ein guter Plan hätte auch ganz anders aussehen können, wie dieser frühe und fragwürdige Entwurf zeigt.
1. Die Materialästhetik
Ich war schon immer fasziniert von Hardcover-Büchern mit ihren Leinengeweben. Die vollfarbig bedruckten Papierumschläge mit kunterbunten Grafiken oder gar Fotos war nie wirklich meins. Zog man die Hülle ab, wurde die wahre Schönheit der Bücher offenbart. Buchleinen mit einer Prägung, das war für mich immer der Inbegriff von einem echten Buch. Und genau daran habe ich mich orientiert, als ich Materialien auswählte. Es ist eine Hommage an die großen Klassiker, die bei meinen Eltern im Wohnzimmer standen.
Das zweite Merkmal ist natürlich die Goldprägung. Sie ist vielleicht etwas kitschig, aber für mich ist eine richtige Prägung nur eine aus Metallfolie. Und wenn es schon eine Hommage an die klassische Buchdruckkunst werden sollte, dann bitte auch das volle Programm.
2. Die Farbgebung
Unser Buch gab es am Anfang nur in Grau und weiter Farben waren nie angedacht. Die erste Auflage war mit 600 Stück (geplant, es wurden dann 12.000) für uns schon extrem hoch bemessen, diese noch in Farben aufzuteilen, kam mir Anfangs gar nicht in den Sinn. Und dieses Grau hat es mir von Anfang an angetan. Es ist klar und hell, jedoch nicht zu kühl und nüchtern. Das Gewebe ist gröber als bei vielen anderen Leinensorten und unterstreicht die Urigkeit des Buches. Gerade in Kombination mit dem hellen, etwas kühlem Gold der Prägung ergab sich eine wunderschöne Kombination. Das Gold wurde aus über 50 Goldfolien gewählt, ist also nicht einfach irgendeine x-beliebige Goldfolie. Gerade dieser hohe Silberanteil im Farbton ist wichtig, um der Erscheinung etwas Modernität zu verleihen.
Ich wusste, dass die Gefahr besteht, dass Ein guter Plan an eine Bibel erinnern könnte, wenn es zu klassisch wird. Deswegen wusste ich: unsere Hausfarbe muss knallen. Stundenlang blätterten wir den Patonefarbfächer um die perfekte Farbe zu finden, und als ich Pantone 3385 U sah, wusste ich sofort: die ist es. Strahlend, kühl, kräftig. Als ob sich Pastell und Neon die Hand geben. Was eigentlich keinen Sinn macht, aber das war mein erster Gedanke. Es war die perfekte Kombination. Hellgrau, Gold, Cremeweiß, Giftgrün. Ich war im Designerhimmel.
3. Die Typografie
Typografie, also die Kunst der Schrift, ist seit jeher mein Lieblings- und Spezialgebiet. Es klingt ein wenig wie „früher haben wir barfuß im Schnee mit Holz gespielt“, aber ich musste in den ersten Semestern im Studiengang Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg wirklich noch im Keller der Druckwerkstatt Bleibuchstaben von Hand setzen, meine Kleidung mit Druckerschwärze ruinieren und im Handsiebdruck eigene Poster drucken. Ich denke, es hat mir nicht geschadet, ein gutes Gespür dafür zu bekommen, was Schrift eigentlich ist, und was sie alles kann. Mein Professor für Typografie war die Schrift-Legende Jovica Veljović, der zum Beispiel die Schrift von Die Zeit entwickelt hat. Und ich werde nie vergessen, wie er uns erzählte, dass er damals im sozialistischen Serbien Fotopapier und Werkzeuge zur Schriftgestaltung aus Ministerien klauen musste und die Wachen mit Vodka bestach. Denn wer Schriften hatte, der konnte drucken. Und wer drucken konnte, der konnte auch verbotene, oppositionelle Inhalte drucken und war damit ein Staatsfeind. Typografie war politischer Akt und Grafikdesign musste im Untergrund stattfinden. Das geht mir immer noch durch den Kopf, wenn ich mit einem Klick ein Schrift online kaufe oder all die zigtausenden kostenlosen Schriften durchforste. Schrift ist und hat Geschichte und daran darf man sich auch erinnern, wenn man heute hübsche Bücher setzt.
Ein gutes Schriftkonzept besteht meist aus drei verschiedenen Schriften: Schrift des Logos, Schrift für Überschriften und Hervorhebungen und die Schrift für Texte. Abweichungen von diesem Konzept sind natürlich möglich, sollten aber einen triftigen Grund haben. Für ein Logo dieselbe Schrift zu nehmen, wie für Überschriften unterwandert alles, was ein Logo eigentlich sein soll: Ein Erkennungsmerkmal, das über allem anderen thront. Nichts was sich harmonisch in eine Website einfügt, sondern Ausdruck von Individualität. Für mich ist ein Logo etwas fast martialisches. Etwas, dass sich einbrennt und aneckt. Auch deswegen kann ich dem Trend zu Handlettering-Logos und all den Brush-Schriften rein gar nichts abgewinnen. Meist sind sie zu schön, zu rund, zu verspielt.
Und doch ist das Logo von Ein guter Plan mein bisher einfachstes. Eine simple Wortmarke, ohne Bildmarke; also nur Buchstaben, kein Icon. Diese Entscheidung fiel mir am schwersten, denn ich liebe Bildmarken. Aber die Gestaltung von Ein guter Plan ist schon prägnant genug, hier hätte ein zu intensives Logo mehr geschadet als es geholfen hätte. Denn das Buch ist ein Produkt, das durch seine Materialästhetik schon wirkt, und kein Website-Layout. Das Logo muss nicht allein stehen, deswegen ist es so schlicht. Dennoch wird Individualität durch die hohe Laufweite und die fetten Buchstaben erreicht. Das musste reichen. Und in Gold auf Leinen tut es das auch.
Diese Entscheidung ließ nun aber Platz für eine prägnante Hausschrift. Unsere Überschriften sind in der wunderbaren Amsi Pro Ultra gesetzt. Selten habe ich mich so in eine Schrift verliebt. Sie ist fett, markant und dennoch leicht und freundlich. Dies kommt besonders durch die leichte Abrundung der Ecken zustande. Ich bin ein großer Fan von fetten Schriften, und gerade in der Verbindung mit unserem Minzgrün war es mir zu heikel, eine dünne Schrift zu nehmen, in der Befürchtung, dass die Farbe nicht zur Geltung kommt und im schlimmsten Fall nicht lesbar ist.
In der Amsi Pro sieht jedes Wort gut aus. Jedes Wort könnte ein Logo sein. Und jeder in ihr gesetzte Spruch kann ohne weitere Elemente eine grafisch überzeugende Postkarte werden. Oft langweilen mich Schriften, nach dem ich ein paar Monate mit ihnen gearbeitet habe. Nicht die Amsi Pro.
Wenn man nun zwei starke Schriften hat, ist die dritte Schriftwahl für Texte oft ein Albtraum. Was passt gut zu so viel Charakter? Ich wusste, dass ich eine Serife dafür haben möchte, um auch dem Inhalt wieder etwas Klassisches zu verleihen. Fast alle Planer und modernen Tagebücher sind in modernen Sans Serif gesetzt. Es scheint auch naheliegend eine maximal klare und nüchterne Schrift für ein Buch zu wählen, das den Fokus eher aufs Ausfüllen legt. Serifen sind besonders bei langen Texten, die gedruckt werden, geeignet. Für kurze Texte und Bücher die Aufgeräumtheit und Minimalismus ausdrücken wollen aber vielleicht nicht die beste Wahl.
Dennoch: ich wollte das Thema der traditionellen Buchdruckkunst auch im Inhalt aufgreifen und stöberte nun wochenlang durch so ziemlich alle Schriftkataloge der Welt. Schließlich entdeckte ich die Tanger Serif. Es ist eine eigenartige Schrift, die fast ein wenig zu viel Charakter für unser Buch hat. Für eine Serife ist sie sehr modern, da sie viele eigenwillige Formen hat. Für mich ist sie damit aber der perfekte Kompromiss zwischen Klassik und Moderne. So dient sie als Bindeglied zwischen den beiden Welten, die Ein guter Plan versucht aus gestalterischer Sicht zu verbinden. Altbewährt Gutes in neuem Gewand. Trotzdem war die Entscheidung keine leichte, und manchmal denke ich noch „Auweia“, wenn ich Ein guter Plan aufschlage und manchmal denke ich „Oh yes!“. Aber immerhin: Ein guter Plan ist auch wegen dieser Schriftwahl kein Buch, das belanglos wirkt.
4. Die Formgebung
Nachdem also alle Materialien, Farben und Schriften definiert waren stand fest: die Gestaltung der einzelnen Seiten muss so schlicht sein, wie es nur geht. Keine Illustrationen, aufs Maximum reduzierte Icons und Muster und sonst bleibt alles so simpel wie es nur geht. Beim Satzspiegel, also der Einteilung der Texte und der Weißräume am Seitenrand orientierte ich mich stark am Satzspiegel von Tschichold, den ich aber etwas aufbrechen musste um den Nutzer*innen viel Platz zum Schreiben zu geben. Hier muss die Form der Funktion folgen, auch wenn ich weiß, dass mehr Weißräume ein schöneres Buch erzeugt hätten. Aber die Nutzbarkeit bei einem Terminkalender ist die höchste Priorität. Mit etwas Kopfschmerzen verkleinerte ich die Seitenränder immer weiter, bis alle Inhalte auf die Seite passten. Jedes Element, von den Datumsangaben bis hin zur Achtsamkeitsampel wurde zigmal verschoben, korrigiert, gelöscht, neu eingebaut, ein paar Tage stehen gelassen und wieder über den Haufen geworfen. Nach einigen Wochen versank ich quasi in einer Flut aus Testausdrucken. Aber eins ist sicher: kein Element in Ein guter Plan ist nicht unendlich oft bewegt worden und ohne Grund genau so, genau dort, wo es jetzt ist.
Und dennoch ist Ein guter Plan noch nicht perfekt. Jede Auflage wird auch grafisch leicht angepasst. Aber vielleicht hilft dieser nerdige Einblick in den Wahnsinn eines Grafikdesigners, warum es sich so anfühlt, als ob man an einem offenen Herzen herumdoktort, wenn ein komplett gesetztes Buch zur Generalüberholung muss. Diese Tage gibt es in unserem Büro also viele Tränen, Schweiß und Blut, weil das Buch für 2018 bald in den Druck geht.
5 Kommentare zu »Ein schöner Plan: 4 Gründe, warum Ein guter Plan auch gut aussieht«
5 Gedanken zu „Ein schöner Plan: 4 Gründe, warum Ein guter Plan auch gut aussieht“
Ich liebe dieses Buch.
Ich würde es mit Goldschnitt der Seiten noch mehr lieben.
Lieben Gruß Evelyne
Schade, jetzt hast du gar nichts über das Papier geschrieben. 😉 Ich habe den Guten Plan zeitlos seit ein paar Tagen und frage mich jedes Mal, wenn ich ihn aufschlage, ob denn die Laufrichtung des Papiers stimmt? Mich wundert nämlich, dass er nicht offen liegen bleibt, das kann an der Bindung eigentlich nicht liegen. Das macht die Benutzung leider etwas unpraktisch.
Ansonsten gefällt er mir wirklich sehr gut und ich bin schon gespannt, wie er sich in meinen Alltag integriert.
Liebe Grüße,
Eva
Die Laufrichtung stimmt eigentlich, das Buch ist recht fest gebunden, was hauptsächlich am Leim liegt. Die neue Auflage wird lockerer gebunden und besser offen liegen beleiben.
LG, Jan
Ich mag, wie du denkst. Und was daraus entstanden ist.
✨Bin kein Grafiker, dennoch sehr interessant. Danke dafür.