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Der Fokus von Rumpelstilzchen

„Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol‘ ich der Königin ihr Kind.“ sang Rumpelstilzchen und tanzte dabei ums Feuer. Rumpelstilzchen wusste ganz genau was sein Plan war. Kurze Erinnerung: er half der armen Bauerstochter Stroh zu Gold zu spinnen, dafür versprach sie ihm ihr erstgeborenes Kind. Der König heiratete die Bauerstochter und trotz Verhütung und vielen Migräneanfällen wurde sie schwanger und 9 Monate später stand Rumpelstilzchen auf der Matte. Deal ist Deal.

Als erstes definierte er sein Ziel: er will das Königskind. Warum? Kann uns eigentlich egal sein. Wann will er es? Direkt nach der Geburt. Rumpelstilzchen hat die S.M.A.R.T.-Technik angewendet. Er hat es runtergebrochen in kleinere Etappen und diese Stück um Stück erklommen. Bei allen Entscheidungen, die er traf, hat er sein Ziel, das Königskind, nie aus den Augen verloren.

Fokus finden mit ADHS

Genau darum geht es beim Fokussieren. Es ist ein bisschen ironisch, dass gerade ich diesen Beitrag schreibe. Mein ADHS, daher mein unermüdlicher zu schneller Redefluss und impulsives Handeln sind das Gegenteil von fokussiertem Vorgehen. Wenn ich singe, ums Feuer tanzend, hört es sich eher so an „Heute startet ich ein VR-Projekt, morgen schreibe ich für einen Slow Travel Blog und übermorgen eröffne ich einen fairen Klamotten Laden.”

Bevor es losgeht, braucht man einen guten Plan

Wenn man nämlich ohne Ziel los rennt, dann ist man vielleicht schnell, aber man kommt wo anders an. Eine Technik, die ihr bereits vielleicht am Rande mitbekommen habt findet ihr auf Seite 21 im Ein guter Plan. Sie fragt euch, was sind eure Ziele für in 3 Jahren, in 1 Jahr und in 3 Monate. Wenn man nämlich geschafft hat diese runter zu brechen, idealerweise in der Reihenfolge, ist dies der Leitfaden für den Fokus.

Immer wenn man sich jetzt fragt, wie priorisiere ich, entscheidet man nicht nach Bauchgefühl und auch nicht nach dem was gerade eilt, sondern nach dem was im 3-Monats- bzw. Jahresplan steht. Alles andere kann ausgeblendet werden. Alles andere kann schön, lustig und wichtig sein – aber lenkt ab vom Ziel – vom Fokus. Soviel zur Theorie. Aber wie ist das mit der Praxis?

Wie ist es, wenn man da sitzt, null Motivation hat, die Aufgabe langweilt, weil sie nicht fordert, oder auch weil sie so sehr fordert, dass man es nicht hinkriegt?

Wie ist das, wenn die Leidenschaft zum Beruf wurde, und der Beruf Gutes tut, aber einem Leiden schafft? Wenn sich neue Interessen auftun? Wenn meine eine Firma Original Unverpackt Großes geschafft hat, und auch noch auf dem Weg dahin ist, aber eine Firma mit 15 Leuten zu leiten kostet Zeit, Aufwand, und vor allem Fokus? Dann ist da noch Ein guter Verlag. Der kleine Verlag, der achtsame Produkte herausbringt, wie diesen Text. Fünf Mitarbeiter*innen haben einen tollen Chef und dann aber eine Chefin, die mit einem Fuß immer bei der anderen Firma steckt und mit dem anderen schon wieder durch die Tür ist, zum nächsten Termin.

Oft höre ich die Frage, wie ich das alles schaffe.

Die Antwort ist einfach: ich tue es nicht. In dem Moment wo ich mich für eine Sache, ein Interessengebiet, ein Projekt entscheide, entscheide ich mich gleichzeitig auch immer wo gegen. Wenn ich ja zu meinem Buchprojekt sage, spreche ich ein Nein aus zu dem YouTube Channel, den ich gerne mit mehr Inhalten füllen würde. Ich schaffe nicht alles und das ist der Trick.

Manchmal gibt es dann doch eine kleine Pause. Zum Beispiel wenn Vivienne Westwood im Laden vorbeischaut.

Der Trick ist Fokus und sich immer wieder daran zu erinnern, was ist mein langfristiges Ziel in drei Jahren und wie wirkt sich das auf meine nahe Zukunft aus. Vor zwei Jahren dachte ich mir, ich würde gerne alles Gelernte über das Zero Waste Leben sowie die Geschichte von Original Unverpackt in ein Buch packen. Ich schreibe gerne. Das ist eins dieser Dinge, wo ich in den Flow Zustand kommen kann und sich Stunden wie Minuten anfühlen. Schreiben hilft mir beim Denken und dieses Buch zu schreiben würde mir helfen die letzten Jahre zu reflektieren und die Wissenslücken rund um ökologisches Leben zu füllen. So weit so gut. Ein Ziel. Leider fehlte die Zeit für dieses Ziel. Von 10 bis 19 Uhr widme ich mich Original Unverpackt und Ein guter Plan. Würde ich dieses Projekt wirklich umsetzen wollen, müsste ich bei beiden kürzen – oder in meiner Freizeit. In meiner Freizeit findet viel statt. Berlin bietet kulturell, aber auch gastronomisch einiges an und Freunde und Bekannte wollen bespaßt werden. Das berufliche, OU und Ein guter Verlag, sichern meinen Unterhalt. Da zu kürzen ist folglich nicht möglich. Also musste die Freizeit her. Wenn ich die Wahl hatte, feiern zu gehen und am Sonntag verkatert im Bett „Friends“ zu schauen oder früh morgens fit aufstehen und schreiben, entschied ich mich für letzteres.

Die richtige Motivation finden

Ich motivierte mich mit dem Ziel „Ein Buch – etwas worauf man stolz sein kann“ und auch dem Genießen der Tätigkeit selber „Recherchieren und Schreiben bereitet Freude“. Beim Zeitmanagement fokussierte ich mich also nicht auf Tricks und Selbstdisziplin, denn ich habe keine, sondern ausschließlich auf die Emotionen, die ich mit diesem Projekt verband. Stolz und Freude. So schrieb ich. Sonntags von 8-16 Uhr, nach Feierabend nach einer kleinen Pause von 20 bis 24 Uhr. Als die Deadline vom Verlag nahte, nahm ich mir Freitags frei und schrieb im Homeoffice. Eine Woche vor der finalen Abgabe schaffte ich es sogar noch eine Woche Urlaub mir freizuschaufeln und das Buch abzuschließen. Alle Anfragen, Ideen und Projekte, die in der Zeit des Schreibens reinkamen musste ich abwägen:

Bringt es mich meinem Ziel näher das Buch fertig zu schreiben?
Bringt es mich meinem Ziel näher, dass es stilistisch besser wird?
Bringt es mich meinem Ziel näher, dass Buch später auch viel gelesen wird?

Und so weiter. Ich beurteilte ein Teil meiner Freizeit und neue Ideen und Interessen danach, ob es mich bei diesem Projekt unterstützte. Wenn es das nicht tat, war die Anfrage nicht vom Tisch. Im Gegenteil, ich konnte mich fragen, ist mir meine verbleibende Freizeit das wert? Habe ich Lust drauf? Wenn die Antwort „nein“ ist, fällt es weg. Wenn die Antwort ja ist, ist es ok, mich Ablenken zu lassen. Es ist ok, mich auch mal mit was anderem zu beschäftigen. Fokus funktioniert nur, wenn man auch Ablenkung zulässt – aber bewusst und kontrolliert. Kein Mensch hat die Kraft sich den ganzen Tag lang zu konzentrieren und zu fokussieren. Wir sind keine Maschinen. Deswegen ist bewusste, achtsame Ablenkung ein wichtiger Aspekt von Fokus für mich. Und wo wir hier wieder beim Thema Achtsamkeit sind: achtsam war die Zeit wirklich nicht. Urlaub zu nehmen um zu arbeiten würde ich sonst auch nicht empfehlen.

Das war vielleicht auch der Fehler von unserem Helden Rumpelstilzchen. Er gab der Königin, die Chance das Kind zu behalten, wenn sie seinen Namen erraten würde. Das hat nichts mit seinem ach so guten Plan zu tun. Keins seiner Ziele hatte irgendwas mit seinem Namen zu tun. Da spielte nur sein Ego rein. Anstatt sich ruhig auf den anbrechenden Tag vorzubereiten, wenn er zur Königin schreiten würde und das Kind einfordern würde, tanzte er um das Feuer rum und sang seinen Namen. Der Helfer der Königin spionierte ihn aus und hörte so „Rumpelstilzchen“.

Die Mühe hat sich gelohnt: “Ohne Wenn und Abfall” gibt es seit Oktober 2017 im Handel

Er half der Königin mit dem Namen und damit durfte sie ihr Nachkommen behalten. Der mangelnde Fokus des Rumpelstilzchen hat die Thronfolge unserer kleinen Königin gesichert. Glück gehabt. So traurig das Ende für Rumpelstilzchen ausging, so gut endete es für mich. Das Buch ist fertig, trägt den Namen „Ohne Wenn und Abfall“ und erscheint im Oktober 2017 im KiWi Verlag.

Echte Texte von echten Menschen: Bei diesem Artikel kam keine künstliche Intelligenz für die Erstellung von Texten und die Recherche von Inhalten zum Einsatz.

Milena Glimbovski

Milenas Leben ist intensiv und wild, deswegen ist Achtsamkeit für sie besonders wichtig. Mit Ein guter Plan konnte sie ihr Konzept davon nun endlich in Worte fassen. »Stress steht für Engagement und Leistung. Das kann nicht richtig sein.« Milena hat mit Original Unverpackt den ersten verpackungsfreien Supermarkt Berlins gegründet und macht sich in ihrem aktuellem Buch »Über Leben in der Klimakrise« kluge Gedanken über eine klimaresistente Gesellschaft und Klimaanpassung. Instagram Website

1 Kommentare zu »Der Fokus von Rumpelstilzchen«

1 Gedanke zu „Der Fokus von Rumpelstilzchen“

  1. Der Artikel ist toll..wie schaffst du es mit Adhs so fokosiert auf die wichtigen Dinge zu bleiben? Bzw die richtige Lösung zu finden ohne es vorher groß zu zer denken? Ich mache mir immer viel zu viele Gedanken die nicht immer gut sind und könne nur schwer an mein Ziel, weil ich mich dann verunsichern lasse. Auch ADHS.

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