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Ungewissheit und Urängste in der U-Bahn

Achtsamkeit gegen Corona-Angst? 11 Tipps, wie du entspannt durch die Pandemie kommst

Achtung, dieser Artikel entstand zu Beginn der Pandemie. Einige medizinische Informationen, wie die angestrebte Durchseuchung der Bevölkerung, sind veraltet.

Plötzlich war es da. Erst 39. Dann 40. Dann 41,5 °C. Bei 42 °C hören viele Fieberthermometer auf. Das ist sehr praxisbezogen, denn dann stirbt man üblicherweise und hat nur noch wenig Verwendung für ein Thermometer. Da ich das als unerhörte Einschränkung meiner Freiheit betrachte, rufe ich den ärztlichen Notdienst an. Der junge Arzt ist nett und kontrolliert mich gewissenhaft, während er ganz höflich ignoriert, dass meine Wohnung so riechen muss, als ob dort ein junger Mann seit drei Tagen schwitzend auf dem Sofa liegt, denn genau das war passiert.

Eine Frage steht im Raum, wie der Stapel an Geschirr in meiner Küche: Ist es vielleicht das Virus? Ich mag sie nicht aussprechen, denn ich möchte nicht so klingen, wie all die Menschen da draußen, die plötzlich ihre Vorliebe für 5 kg-Packungen Nudeln und Unmengen an Klopapier entdeckt haben. Und doch, ich war vor einer Woche in München und engagiere mich ehrenamtlich im DRK, ich hatte um maximal zwei Ecken Kontakt zu Personen, die die Isolierstation in Berlin betrieben hatten. Also fühle ich mich verpflichtet zu fragen, ob ich dieses Virus habe. Der Arzt lächelt, schüttelt den Kopf, sagt „Bestimmt nicht“, und geht.

Ein paar Minuten später komme ich ins Grübeln. Gibt man Notärzten Trinkgeld? Und: Sagt man nicht, wenn man etwas verneinen möchte, einfach „Nein“? Was heißt „Bestimmt nicht“? Ist das nicht dasselbe wie „Wahrscheinlich nicht“? Und ist das nicht dasselbe wie „Vielleicht? Nach der ersten Tablette Antibiotikum fällt mein Fieber auf lebensbejahende 36,8 °C. Es war also nicht das Virus oder überhaupt ein Virus.

„Keine Panik!“ ist das neue „Lach doch mal!“

Auch wer in den letzten Tagen nicht, so wie ich, halluzinierend in der Wohnung lag, hat sich sicher schon gefragt: Bin ich gefährdet? Bin ich vielleicht schon erkrankt? Was passiert, wenn ich erkranke? Und wer diese Frage mit anderen Menschen bespricht, bekommt meist nur eine Antwort. Eine Antwort, die wie keine andere Panik verursacht. Sie lautet: „Keine Panik!“
Diese Antwort ist so hilfreich wie das „Lach doch mal!, das man überlegen, übergriffig und übertrieben unempathisch traurigen Menschen entgegenschleudert. Denn eigentlich hat niemand Panik wegen Corona, COVID-19, SARS-CoV-2. Viele Menschen machen sich Gedanken, Sorgen oder haben vielleicht auch Angst. Aber Panik?

Pan ist nach der griechischen Mythologie der Hirtengott, der Musik und Tanz liebte und diese kreative Freizeitgestaltung ganz eigenverantwortlich mit seiner Panflöte auslebte. Er wurde der Sage nach aber sehr ungehalten, wenn er in seiner Mittagsruhe gestört wurde. Dann schreckte er mit seinen Schreien die Herden auf, die dann ebenfalls aufgebracht umher stürmten. So verwandelte ein Störenfried eine beschauliche Siesta in unnötiges Tohuwabohu. Daher der Begriff Panik.
Psychologisch betrachtet ist es ein absoluter Ausnahmezustand, in den die meisten Menschen selbst in akuter Lebensbedrohung nicht verfallen (Herbst, 1996). Sie tritt, wenn überhaupt, nur auf, wenn Flucht unmöglich und Kampf aussichtslos erscheint. Eine Panikreaktion ist unvernünftig, unüberlegt und unzweckmäßig. 5 kg statt 500 g Nudeln zu kaufen gehört erst mal nicht dazu; Nudeln sind per Definition zweckmäßig. Übertrieben? Vielleicht. Panisch? Nicht nach irgendeiner offiziellen Definition dieser Welt.

Wer so schön schläft, den weckt man nicht; „Pan’s slumber“, Gemälde von Émile Bin (1870)

Wer „Keine Panik!“ sagt, sagt also auch immer: „Du bist panisch. Hör auf damit. Deine Emotionen sind nicht okay.“ Expertin*innen bringen damit den Begriff der Panik überhaupt erst ins Spiel. Die Bevölkerung fragt sich dann zu Recht: „Wer spricht denn hier von Panik? Haben andere Menschen Panik? Wenn sie Panik haben, sollte ich das vielleicht auch?“ Erst dann entstehen die Anfänge von dem, was man irgendwann vielleicht als Panik bezeichnen könnte. Einige Psycholog*innen sind deswegen überzeugt, dass Verantwortliche den Begriff gar nicht erst verwenden sollten (Reimann, 2020).
Nach dieser unnötigen Exkursion in die griechische Mythologie, möchte ich dir nun elf Ratschläge für einen realitätsgerechteren, achtsameren Umgang mit der Pandemie mit auf den Weg geben.

1.) Sorgen sind grundsätzlich erlaubt

Selbst wenn du nicht zur Risikogruppe gehörst, darfst du dir Sorgen machen. Lass dir mit pauschalen Verboten wie „Keine Panik“ nicht jede Emotion verbieten. Die Sorge, dass das Gesundheitssystem überlastet wird und deine Versorgung in ganz anderen Notsituationen eingeschränkt wird, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Genau deswegen wird derzeit ja der ganze Aufwand betrieben. Dass sich das Virus maximal ausbreitet, was knapp 70 % der Bevölkerung entspricht (Lipsitch, 2020), ist eventuell unvermeidbar. Das Ziel ist aber, dass dies innerhalb von mindestens zwei Jahren passiert (Fischer, 2020) und nicht innerhalb weniger Wochen. Dass wir die Ausbreitung nicht auf zwei Jahre ausdehnen können, ist etwas, über das man sich Sorgen machen darf und sollte.

Ebenso sind bereits jetzt schon viele Unternehmen und Freiberufler*innen wirtschaftlich stark betroffen, auch da ist Sorge berechtigt. Das Argument, dass man sich beruhigen soll, weil das Krankheitsbild für viele Menschen nicht schlimmer als bei einer üblichen Grippe ausfallen wird, greift nicht. Alle sehen, dass die Einschränkungen und Vorkehrungen wesentlich heftiger ausfallen, als bei einer herbstlichen Grippewelle, was jegliche Gleichstellung zu ebendieser ad absurdum führt.
Außerdem gibt es da ja noch die Empathie. Nur, weil du vielleicht nicht zur Risikogruppe gehörst und eine Erkrankung gut überstehen würdest, muss dir das Virus nicht egal sein. Für viele scheint es ein ganz und gar unvorstellbarer Gedanke zu sein, aber es gibt tatsächlich Menschen, die über 70 Jahre alt sind. Für sie ist das Virus tatsächlich gefährlich. Viele Menschen haben Eltern und Großeltern, um die sie sich sorgen. Und man kann auch tatsächlich ganz generell Empathie mit den Schwachen der Gesellschaft haben, die man gar nicht kennt.

Steh also zu deinen Bedenken und Ängsten. Sie sind erst mal nicht krankhaft, sondern werden von vielen Forscher*innen geteilt. Ein Leben ohne Angst ist nicht erstrebenswert und auch gar nicht nötig. Es ist eine Basisemotion, die man nicht durch gut gemeinte Aufrufe stoppen kann und muss. Ziel ist allein, einen so guten Umgang mit der Angst zu finden, dass kein zu großer Leidensdruck entsteht. Nicht mehr und nicht weniger. Diesen Mittelwert an gesunder Angst nennt man realitätsgerechte Angstreaktion.

2.) Informiere dich nur so viel, wie unbedingt nötig

Frage dich, wie viel du dich wirklich informieren musst. Die aktuelle Situation kann auch eine morbide Faszination erzeugen, weil endlich mal etwas passiert, aber deswegen eine Breaking News nach der nächsten zu lesen wird nicht spurlos an dir vorübergehen. Eigentlich würde es reichen, wenn du dich jetzt einmal am Tag mit einer konkreten Aufgabenstellung informierst: Um zu erfahren, ob du dich in einem Kreis von Personen bewegt hast, in dem es Verdachtsfälle gab oder, ob es Einschränkungen für deine Region gibt, die dich konkret betreffen. Das ist eine mündige Aktion mit klarer Aufgabenstellung, die auch als erledigt abgehakt werden kann. Vermeide es, dich einfach nur mit einer Meldung nach der nächsten berieseln zu lassen. Entscheide selbst, wann und wie du dich informierst.

Wenn dich der ganze Trubel um das Virus emotional belastet, erlaube dir, nur dieser kleinen Informationspflicht nachzukommen und dich danach mit anderen Dingen zu beschäftigen. Tu dies am besten auf den Websites von wissenschaftlichen Instituten. Dort gibt es zwar keine Bilder von Menschen in Ganzkörperanzügen, aber wenn du mit Anspannung auf die Krise reagierst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du solche Bilder emotional aufladen würdest. Also lass es einfach. Das ist keine Ignoranz, sondern Selbstschutz und ein achtsamer Umgang mit Informationen.

3.) Lege Vorräte nur nach einer Reflexion an

Das Anlegen von großen Vorräten ist vielleicht nicht nötig, aber es ist auch nicht verboten. Tu dies aber achtsam. Frage dich, was du dir davon erhoffst. Um im Fall einer Quarantäne versorgt zu sein? Gäbe es dann auch andere Möglichkeiten dich zu versorgen? Oder bist du nur von der Angst getrieben, dass es nichts mehr gibt, weil alle anderen Menschen Hamstereinkäufe tätigen? Das ist ein großer Unterschied. Sei dir im Klaren darüber, warum du 5 kg Nudeln in deinen Einkaufswagen legst. Tu das nicht, weil du dich irgendwie genötigt fühlst.

Beobachte genau: Was macht das mit dir, wenn du Vorräte anlegst? Gibt es dir das Gefühl, etwas zu tun, um so den Zustand der Ohnmacht zu verlassen? Das ist die Hauptfunktion vom sogenannten Prepping: Menschen, die viel Energie in die Vorbereitung auf Katastrophe und Kollaps legen, können ihr Stress- und Angstlevel durch diese Bemühungen reduzieren. Oder belastet es dich, weil du dich egoistisch fühlst? Egal, wie deine Antwort lautet: kenne sie. Darüber nachzudenken ist ein achtsamer Gedankengang und das Gegenteil von blinder Übersprungshandlung, selbst wenn du dich dann doch pro Pasta positionierst.

4.) Übe dich in Empathie für deine Mitmenschen

Verstehe, warum andere Menschen sich so verhalten, wie sie es tun. Niemand hamstert Lebensmittel oder Desinfektionsmittel um anderen eins auszuwischen. In Krisenzeiten aktivieren sich ganz archaische Prozesse des Selbstschutzes, die nie Bösartigkeit entspringen, auch wenn sich das für dich vielleicht so anfühlt. Da sind keine egoistischen Zombies im Supermarkt, mit denen du plötzlich in Konkurrenz stehst, sondern Menschen mit Bedürfnissen und Ängsten, wie du auch.

„Die wollen mir etwas wegnehmen“ ist der schädlichste Gedanke, den du in diesen Momenten haben kannst. Du bist diesen Menschen ziemlich egal. Das fühlt sich vielleicht auch nicht schön an, aber verhindert das Gefühl, dass dir jemand bewusst etwas Böses will. Entwickle Empathie für sie, so schwer es dir auch fällt. Und wenn das nicht klappt, tut es auch Mitleid, der böse Bruder der Empathie. Der persönliche Leidensdruck von Menschen, die bei drohender Gefahr in Superlativen des Untergangs denken und sich mit großen Mengen Lebensmitteln verschanzen, ist teilweise enorm (Fetterman u.a., 2019).

5.) Nimm ein Gefühl der Gemeinschaft wahr

Krisenzeiten haben zwar immer schon eher unsoziale Eigenschaften in Menschen aktiviert. Aber, und das ist ganz wichtig, sie führen oft auch zu mehr Verbundenheit. So viel Schlechtes vielleicht im Mensch stecken mag, wir sind soziale Wesen, und soziale Bindungen und ein Gefühl der Gemeinschaft stärkt die psychische Widerstandsfähigkeit, also Resilienz (Juliano, 2014). Vielleicht sind dir die tiefen Gespräche in deinem Büro aufgefallen? Ich jedenfalls habe noch nie so viel mit meinen Mitarbeiter*innen und Freund*innen über existenzielle Ängste und Sorgen gesprochen, wie in den letzten zwei Wochen. Das verbindet und ist durch und durch heilsam.

6.) Lerne Nein zu sagen

Es kann sein, dass dich das Thema sehr bald sehr stark nerven wird. Es wird weiterhin in den Medien bleiben und dazu kommt sehr bald die Berichterstattung über eine mögliche Rezession, die gerade in der deutschen Presse gern in jeglicher Spielart breitgetreten wird. Erlaube dir zu sagen, dass du keine Lust hast über das Virus oder Wirtschaft zu reden. Ziehe klare Grenzen und lerne Nein zu sagen. Rede nur über das Thema, wenn du den Wunsch nach Austausch hast. Begegnet dir das Thema, aber du fühlst dich nicht bereit oder hast keine Lust, darüber nachzudenken, habe eine Mantra parat, z. B.: „Mein Leben ist nicht bedroht. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist Quarantäne. Die Vorkehrungen, die gerade getroffen werden, sollen verhindern, dass die Risikogruppe sofort komplett erkrankt. Ich überprüfe einmal am Tag, ob ich Einschränkungen für meinen Alltag zu erwarten habe.“ Fertig. Jede Beschäftigung darüber hinaus sollte nur erfolgen, wenn du wirklich Interesse daran hast. Teile dies auch deinen sozialen Kontakten mit. Deine persönlichen Grenzen können nur respektiert werden, wenn du sie einmal klar kommuniziert hast.

7.) Vermeide Hohn und Spott

Bist du bei dem Thema hingegen entspannt, mach dich nicht über andere lustig, die nicht mit deiner Ruhe gesegnet sind. Ihre neuen Ängste über das Virus kommen zusätzlich zu den Sorgen, die sie schon haben. Und von denen hast du nicht die geringste Ahnung. Es ist sehr individuell, ab wann ein Mensch Angst bekommt oder sich von einer Situation überfordert fühlt. Wer sich privat oder beruflich schon seit Wochen in einer belastenden Extremsituation befindet, für den können die aktuellen Veränderungen einfach der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Besorgte Menschen treffen immer mehr Vorkehrungen, als unbesorgte Menschen. Das ist nicht per se richtig, aber auch nicht per se falsch. Sie leben vielleicht nicht glücklicher aber eben sicherer und das ist in Ordnung.

Wenn du gelassen mit dem Thema umgehst, ist das im wahrsten Sinne des Wortes und ohne Sarkasmus schön für dich. Aber Spott ist aus zwei Gründen nicht die beste Reaktion: Er schadet dir mehr als anderen und hilft gleichzeitig auch noch niemandem. Wenn du andere Menschen aufrichtig beruhigen möchtest, höre dir ihre Sorgen an, nimm sie ernst, ohne sie mit gut gemeinten Ratschlägen zu überschütten. Gerade in Partnerschaften wünschen sich Menschen z. B. eher emotionale Unterstützung und Verständnis anstatt Tipps (Lorenzo, 2018).

8.) Verstehe, dass Menschen nicht logisch sind

Auch wenn eine neue Bedrohung nicht schlimmer ist als eine bereits bekannte, ist die wahrgenommene Bedrohung trotzdem größer; einfach, weil man sich noch nicht an sie gewöhnt hat (Hertwig, 2020). Gegen diese psychologischen Effekte kommt auch die zehnte Studie, dass die Sterberate gering ist, nicht an. Menschen funktionieren nicht nur nach Logik. Das mag für nüchterne oder gelassene Menschen nervig sein, aber dass gefühlte Wahrheiten manchmal mehr Macht haben, als Fakten, gehört zum Menschsein dazu. Akzeptiere das und schmeiße nicht mit Studien um dich, in der Hoffnung, dass Zahlen in Tabellen irgendetwas bewirken. Jetzt ist ein guter Moment die Unsachlichkeit der menschlichen Psyche anzunehmen und zu umarmen. Diesen Tipp habe ich für mich selbst geschrieben. Nichts fiel mir schwerer, aber nichts hat meine Frustration mehr reduziert, als das endlich mal einzusehen.

9.) Hinterfrage deine Entscheidungen nicht

Die Frage, ob die Menschen, denen du noch begegnest (bleib bitte so viel wie möglich zu Hause) erkrankt sind, ist unsinnig. Du kannst es nicht wissen und du kannst es nicht ändern und die Antwort ist meistens sowieso Nein. Vermeide Einschätzungen dieser Art. Entscheide dich einmalig, in welchem Umfang du noch das Haus verlassen musst. Hinterfrage diese Entschlüsse dann aber nicht konstant, sondern validiere erst neu, wenn du neue Informationen hast. Diese Einmal-entscheiden-und-dann-nicht-mehr-hinterfragen-bis-es neue-Informationen-gibt-Methode solltest du auch auf alle anderen Bereiche anwenden. Jetzt persönliche Investitionspläne ändern? Mach das, wenn du denkst, dass es richtig ist, aber bezweifle die Entscheidung nicht konstant. Den Urlaub verschieben? Das einzig Richtige, aber dann blätter nicht jeden Abend wehmütig durch Urlaubskataloge.

10.) Praktiziere Selbstfürsorge

Ich lege nun mal meine Scham ab, auch bei großen Herausforderungen zu klassischer Selbstfürsorge zu raten, obwohl sie den Ruf hat unpolitisch, egoistisch, passiv, oder gar ignorant zu sein. Dem ist nicht so.
Probleme wie Pandemien sind außerhalb deiner Kontrolle, ein Grund mehr sich mit Maßnahmen der Stressreduktion zu beschäftigen, die in deiner Kontrolle liegen. Meditation gegen Viren? Wohl kaum. Aber das Schöne an all diesen Techniken ist: Sie senken Angst- und Stresslevel, egal welche Herausforderung vor dir steht. Deine Tagesform hat ganz einfach Einfluss auf dein Wohlbefinden. Das gilt auch, wenn die Gesellschaft vermeintlich am Rande eines Kollaps tanzt.

Zu Sport, Spa und Spieleabend zu raten klingt in solchen Situationen immer zynisch, aber ich habe mir nicht ausgesucht, dass sie Adrenalin und Cortisol abbauen (Varvogli, 2011). Selbstfürsorge ist eine von vielen Maßnahmen im Werkzeugkasten deiner mentalen Gesundheit. Sie nicht zu nutzen ist schade, wenn dich die aktuelle Lage emotional aufreibt. Dass wir dadurch zu angepassten „Wellness-Opfern“ werden, denen die Probleme der Welt egal sind, ist hart an der Realität vorbei. Das Gegenteil ist der Fall. Nur wenn wir gesund sind, haben wir die Kraft für Engagement, Nächstenliebe und Empathie (Holistic Security Manual, Smith u.a., 2016).

11.) Etabliere gesunden Fatalismus

Und als letzter Tipp kommen wir weg vom ganz Kleinen, und gehen ins ganz Große. Ausnahmesituationen wie diese sind immer ein guter Moment, um die Strukturen dieser Gesellschaft, aber auch das Leben an sich, aus einer neuen Perspektive zu betrachten. In der ganzen Thematik schwingt einfach auch ein bisschen Vergänglichkeit und erzwungene Demut mit. Niemand rechnet wirklich mit existenziellen Problemen dieser Art, es gibt eine Illusion von Sicherheit. Wir denken immer, dass es uns schon nicht betreffen wird, dass es nicht so schlimm wird und dass da immer noch mehr Nudeln hinten im Lager stehen. Aber manchmal ist das eben nicht so.

Das zu erkennen kann Angst machen, aber auch heilsam sein. Ab und zu an die eigene Vergänglichkeit und die Fragilität unserer Gesellschaft erinnert zu werden kann auch zu einem gesunden Fatalismus führen, also der tiefen Akzeptanz, dass wir manche Dinge einfach nicht kontrollieren können und sie so akzeptieren müssen, wie sie sind. Diese tiefe Akzeptanz kann befreien, motivieren und sogar Basis für (Galgen-)Humor sein, der tatsächlich heilsam ist (Ventis 2001; Panichelli, 2018).
Auch trotziger Optimismus und bewusst unbelehrbare Positivität kann auf dieser fatalistischen Grundhaltung ganz gut gedeihen. Oder um es mit Hesse auszudrücken, was man, wenn man kann, immer machen sollte: „Und allem Weh zum Trotze bleib ich verliebt in die verrückte Welt.“


Das Thema wird uns noch Monate, eher Jahre begleiten. Es kann ganz schön anstrengend sein, konstant mit Urängsten konfrontiert zu werden. Leg jetzt den Grundstein für einen gesunden Umgang mit diesen Nachrichten. Achtsamkeit kann der erste Schritt sein und eröffnet eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten, mündige und überlegte Entscheidungen zu fällen, Kraft für Engagement zu finden und die eigene Ohnmacht zu verlassen.

Vielleicht sind existenzielle Herausforderungen nicht immer nur Probleme, die wir lösen müssen. Manchmal sind sie auch kleine Erinnerungen, bewusster zu leben

Echte Texte von echten Menschen: Bei diesem Artikel kam keine künstliche Intelligenz für die Erstellung von Texten und die Recherche von Inhalten zum Einsatz.

Jan Lenarz

Jan Lenarz ist Gründer und Geschäftsführer von Ein guter Plan. Der mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautor engagiert sich politisch für mentale Gesundheit und schreibt über Achtsamkeit, Depression und Burnout. Er engagiert sich ehrenamtlich als Rettungssanitäter und Erste-Hilfe-Ausbilder. Bei den Einsätzen im Berliner Stadtgebiet wird seine hart antrainierte Gelassenheit regelmäßig auf die Probe gestellt. Website Instagram

86 Kommentare zu »Achtsamkeit gegen Corona-Angst? 11 Tipps, wie du entspannt durch die Pandemie kommst«

86 Gedanken zu „Achtsamkeit gegen Corona-Angst? 11 Tipps, wie du entspannt durch die Pandemie kommst“

  1. der artikel auf den wir alle gewartet haben. ich hab Tränen in den Augen und bin so dankbar, dass es ihn gibt. Danke dir. Wird erstmal an alle Kontakte weiter geleitet.

    draußen spielt grad jemand “knocking on heavens door” haha.

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  2. Hallo Jan, auch von mir von Herzen vielen Dank für den wunderbaren Artikel und die sehr bildlich beschriebenen Tipps, da werde ich mir sicherlich ebenfalls, wie meine zahlreichen Vorschreiber/innen, die ein oder andere neue Ansichtsweise verinnerlichen. Zumindest versuchen. Mein kleinster Sohn, 22 Monate, hat Mukoviszidose und gehört demnach der Risikogruppe an….. Demnach bin ich bisher sehr unentspannt – was mich jetzt schon nervt…. Aber jetzt werde ich einiges anders machen, dann wird es vielleicht besser.
    Was ich übrigens, Dank Eures Guten Planes, schon mache, ist: bewusst, achtsam und dankbar Hände waschen. Diese Zeit, die man braucht, um sich *richtig* die Hände zu waschen…. Ich nutze sie um meine Hände zu spüren und mich bei ihnen zu bedanken…… So hat das ganze noch einen liebevollen Sinn und ist mein “Wellness in Alltag” <3

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  3. Wunderbar geschrieben und auf den Punkt gebracht was jetzt mental helfen kann. Danke für diese konkreten Worte die ich gerne weiter verbreite :-).
    Malin

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  4. Wirklich vielen, vielen Dank für diesen Artikel. Ich bin 16 und hatte die letzten Tage starke Panikattacken aufgrund der Nachichten, die wieder hochkamen. Als ich dann einen Artikel gelesen hatte mit der Überschrift [zensiert, da angstinduzierend; Anm. d. Red.] und solche toxischen Nachrichten verunsicherten mich umso mehr.
    Da auch meine Mutter Hamsterkäufe macht, wir so gut wie nie das Haus Verlassen und es sich anfühlt wie im Krieg (auf den wir jetzt auf jedenfall vorbereitet wären) hat mir dieser Artikel wirklich etwas halt und Sicherheit gegeben.
    Vielen Dank !!

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  5. Great, Danke Dir für die achtsame Herangehensweise. Als Mensch mit Traumahintergrund und der “Diagnose” KPTBS habe ich grad alle Hände voll zu tun um meinen inneren Frieden zu erhalten, bzw Selbigen wieder zu bekommen – bin gerade potentiell dauergetriggert – aua :-(((. Wird aber wieder – ich bzw meine Innenkids und ich , wir schaffen das. Übrigens ist einer meiner Skills tatsächlich AUCH das Fitnessstudio und Marathon- bzw Trailläufe. Damit also: Grüße vom “Sportjunkie zum Sportjunkie” 😉

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  6. Hallo Lenarz,
    ich bin Psychologin in eigener Praxis und habe gerade zum Auslegen in der Praxis nach Infos gesucht, die aus der inneren Haltung der Achtsamkeit zu C informieren… Dein Artikel ist SUPER!!! Danke von Herzen dafür und eine Frage: könntest Du vielleicht ein PDF zur Verfügung stellen, das man in Wartezimmern auslegen oder interessierten Menschen mitgeben kann?
    Das wäre klasse! Mit herzlichen Grüßen,
    Eva

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    • Hallo Eva, du kannst den Text für diesen Zweck gern mit Quellenangabe verwenden. Eine Druckdatei müsstest du dir aber selbst erstellen. LG, Jan

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  7. Das werde ich jetzt jedesmal lesen, wenn das Kopfkino wieder routiert wg. der neuen Situation. Vielen lieben Dank für die wunderbaren, beruhigenden Worte. Es ist ja alles so wahr.

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  8. Vielen lieben Dank für diesen guten Zuspruch , den wirklich jeder, ob ängstlich oder nicht, gut gebrauchen kann. Mir hat dein Artikel sehr gut geholfen und ich werde ihn weiter empfehlen. Er wird noch vielen anderen helfen.

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  9. Sounds good, but I only understand half of it. Would be great if you made the text available in English and or Dutch also – so we can share your good plan wisdom in Holland too! Thank you.

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  10. Danke für diesen Text, lieber Jan! Ich bin grundsätzlich optimistisch-realistisch und habe keine Angst in der aktuellen Situation. Es wird weiter gehen, denn es geht immer irgendwie weiter. Aber auch mir tun Deine Worte gut und sie werden überall dankbar aufgenommen, wo ich sie bisher geteilt habe.

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  11. Um mich herum sind alle so relaxed, dass ich mich für meine gefühlt realistischen Sicherheitsvorkehrung (nicht Hände schütteln, daheim angekommen Hände und Gesicht waschen, meine Geburtstagsfeier absagen) dauernd rechtfertige. Der Artikel hat mir eben so geholfen, ich fühl mich so verstanden und endlich kommt mein Herz zur Ruhe. DANKE!

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