Wie wir mithilfe eines Bullet Journals bei uns selbst ankommen

Ein Bullet Journal kann auch ganz schlicht gehalten werden, wie hier: eine Seite pro Tag mit Notizen, Aufgaben und Dankbarkeit.
Auch wenn Pinterest etwas anderes suggeriert: Bullet Journals dürfen schlicht sein

Die Bullet Journal Methode hat in den letzten Jahren einen riesigen Hype erfahren. Das ist super, denn sie bietet einen einfachen und wirkungsvollen Weg, uns mit minimalem Zeitaufwand in einen achtsameren Alltag zu führen. Ich möchte mein Journal jedenfalls keine Minute mehr missen. Ein guter Punkt begleitet mich nun seit über einem Jahr und ich sammele darin alles, was ich täglich brauche: Erinnerungen an Termine, meine Tagesaufgaben, Rituale, persönliche Erfolge, Gesprächsnotizen – und ganz besonders wichtig: Gedanken, die ich mir von der Seele schreiben will. Und es geht mir richtig gut damit. 

Das war jedoch nicht von Anfang an so. Viele Menschen – und da schließe ich mich mit ein – gehen mit falschen Erwartungen ans Journaling heran und sind dann entmutigt. Mir ging es zu Beginn sogar zunächst schlechter: Das Journal, mit dem ich eigentlich mein Gedankenchaos bewältigen wollte, führte eher zu einer mentalen Blockade. Damit dir das nicht passiert, habe ich meine wichtigsten Learnings hier für dich gebündelt.

Das steckt hinter dem beliebten Trend

Die Bullet Journal Methode wird von Millionen Menschen weltweit genutzt, um die eigenen Gedanken zu ordnen, sich über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden und alles Bedeutungslose wegzulassen. Oder in den Worten des Erfinders Ryder Carroll:

»Du lernst, wie du aufhörst zu reagieren und anfängst, zu lenken.«

Ryder Carroll

Um zu verstehen, was diese Methode ausmacht und wie sie uns in Bedürfnissen unterstützen kann, lohnt es sich, wenn wir uns kurz mit der persönlichen Geschichte von Ryder Carroll befassen. Hinter der großartigen Erfolgsstory steckt nämlich sein persönlicher Leidensweg.

In seinem Buch „Die Bullet-Journal-Methode: Verstehe deine Vergangenheit, ordne deine Gegenwart, gestalte deine Zukunft“ beschreibt er die Schwierigkeiten, die er durch seine gesamte Schulzeit hindurch hatte. Es fiel schon früh auf, dass er sich leicht ablenken ließ, mit dem Lernstoff in Rückstand geriet und Ängste entwickelte. Als Teenager erhielt er schließlich die Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Ausgehend von diesem Leidensdruck begann er im Laufe der Zeit, kleine Journaling-Tricks zu entwickeln. Sie sollten ihm helfen, fokussiert zu bleiben und das College zu schaffen. Carroll stellte fest, dass es seine rasenden Gedanken beruhigte, wenn er sie immer wieder über den Tag verteilt notierte. 

„Genial“, dachte ich, „eine Methode, die selbst bei starken Aufmerksamkeitsstörungen wirkt, hilft garantiert auch meinem Wuselkopf!“ Zur Erklärung: Ich arbeite seit mehr als sieben Jahren im Home Office und wie mittlerweile viele aus eigener Erfahrung wissen: Im Home Office warten jede Menge Ablenkungen auf einen. Die Freiheit, die man durch die Arbeit zuhause hat, ist manchmal fast zu viel des Guten, weil wertvolle Strukturen schnell verloren gehen können. Im Home Office muss ich konzentriert bleiben, während sich unzählige Hausarbeiten hinter mir stapeln – und mein Nachbar mal wieder seine Bohrmaschine in meiner produktivsten Phase benutzen muss. 

Das Bullet Journal Ein guter Punkt enthält eine kurze Anleitung darüber, wie das Bullet-System funktioniert.
Werkzeugkasten gegen Chaos im Kopf

Hinzu kommt, dass ich händeringend nach einem Ventil gesucht habe, mit dem ich meine Gedankenschleifen in den Griff bekomme und emotionalen Stress verarbeiten kann. Dafür möchte ich aber nicht mehrere Bücher verwenden, sondern am liebsten ein System, das all diesen Bedürfnissen gerecht wird. Mit der Bullet Journal Methode habe ich dieses System gefunden, ohne den Überblick zu verlieren und mich zu verzetteln.

Wie Journaling (nicht) zu einer gesunden Achtsamkeitspraxis beitragen kann

Am wirkungsvollsten ist ein Bullet Planer, wenn wir es schaffen, ein liebgewonnenes Ritual daraus zu machen, das uns täglich Kraft gibt. Hier einige Effekte, die das regelmäßige Führen eines Journals auf unser Wohlbefinden haben kann (nach Khramtsova, I., & Glascock, P., 2010):

Es hilft, unseren Fokus zu schärfen.
Es lenkt unsere Aufmerksamkeit nach innen.
Wir können positive Gedanken festhalten und verstärken.
Wir können aber auch negative Gedanken hinterfragen und verringern.

Und was ich noch ergänzen möchte: Ich schlafe besser! Wenn mir bewusst wird, dass ich mir unnötige Sorgen mache und ins Grübeln verfalle, notiere ich mir meine Gedanken stichwortartig. So kann ich abends besser abschalten. Denn jeder Gedanke, den ich nicht mit ins Bett nehme, sorgt für einen ruhigeren Schlaf. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, wie sich Journaling auf mein Leben – und das von meinem Mann Timon – auswirkt, hör einfach mal in unseren Podcast Still & Stark rein.

Die folgenden Anregungen haben mir geholfen, ein Journal zum festen Bestandteil meines Alltags zu machen – ohne Stress und Erwartungsdruck.

1. Keine große Sache daraus machen

Die Sache mit der Regelmäßigkeit: Ein neues Ritual für sich zu entdecken, funktioniert nur, wenn uns das Führen eines Journals nicht wie unser persönlicher Mount Everest vorkommt. Selbst das schönste Achtsamkeitsritual kann in Selbstoptimierung ausarten, wenn wir uns zu viel vornehmen.

Wenige Minuten reichen schon aus, um in den Genuss der oben erwähnten Effekte zu kommen. Ich fahre am besten mit einer sehr minimalistischen Herangehensweise, die mich täglich – je nach Lust und Laune – nur 5-10 Minuten kostet:

  1. Ich checke morgens kurz ein und notiere, wie es mir geht. Dann schreibe ich mir die drei, vier wichtigsten Aufgaben des Tages auf. Achtung, hier lauert die Perfektionismus-Falle: Lieber erstmal den Ball flach halten. Wenn die Aufgaben erledigt sind und du noch Zeit hast, kannst du dir immer noch weitere vornehmen. Aber lieber erst weniger vornehmen, dann hast du auch nicht das Gefühl, dass dich deine unerledigten To-dos vorwurfsvoll anstarren, wenn du sie schon 10 Tage in Folge mit einem Pfeil versiehst. Viel zu schnell stellt sich sonst ein Gefühl des Versagens ein.
  2. In einer To-do-Liste können auch die Dinge Platz finden, auf die du dich freust und die nur für dich sind. Wenn du dazu neigst, dich oftmals selbst zu vergessen, ist diese Idee einen Versuch wert! Ich trenne die Aufgaben, die mit meinem Job zu tun haben, nicht mehr von meiner Me-Time. Die Auszeit für mich ist genauso wichtig, wie die Arbeit selbst, weil sie mich erst richtig produktiv macht. Zum Beispiel notiere ich:
    15 Minuten in der Sonne sitzen.
    Mir endlich das Buch bestellen, das ich schon so lange anschmachte.
    20 Minuten YouTube-Workout machen.

  3. Zwischendurch notiere ich mir mit Gedankenstrichen Dinge, die mich beschäftigt haben und aus dem Kopf sollen. Oder Ideen, die mir gefallen haben. Das mache ich aber nicht jeden Tag. Manchmal stehen auch nur drei Dinge da, die gut waren. Sie rücken das Positive vom Tag in den Fokus und helfen mir, mit einem guten Gefühl schlafen zu gehen, statt bei den Ereignissen zu verweilen, die unangenehm waren.
Das Bullet Journal Ein guter Punkt in Altrosa kommt im schicken Leineneinband mit Goldprägung und einem Stickerset.
Organisationswunder und Augenweide zugleich

2. Nichts schreiben ist auch okay

Wir sollten endlich aufhören, uns Vorwürfe zu machen, wenn wir etwas nicht geschafft haben. Das gilt nicht nur für Erledigungen des Alltags, sondern auch fürs Journaling und andere Rituale. Es ist völlig in Ordnung, nicht jeden Tag seitenweise Gedanken zu notieren. Ein Journal verzeiht das übrigens eh viel besser als ein Planer mit vorgedrucktem Datum. Wenn in meinem Bullet Journal nach einem Freitag gleich als nächstes der Montag kommt, ist das egal. Wenn ich in einem anderen Planer eine Seite frei lassen muss, weil ich einen Tag nichts schreiben wollte, nervt mich das.

Besonders an Wochenenden schreibe ich wenig oder gar nichts. Ich bin einfach draußen und genieße. Während meiner Arbeitstage schreibe ich meistens mehr, um meinen Kopf für den nächsten Tag freizubekommen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. 

Memo: Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, ein Bullet Journal zu strukturieren. Es gibt nur deinen Weg. 

3. Perfektionismus keine Chance geben

Wer in die Suchmaschine das Keyword „Bullet Journal“ eingibt, wird in der Bildersuche Millionen Vorlagen und Ideen für wunderschön ausgestaltete Journale vorfinden. Das kann schnell überfordern, vor allem, weil es mit der Methode selbst eigentlich nichts zu tun hat.

Ja – man kann ein Bullet Journal verzieren und der eigenen Fantasie dabei freien Lauf lassen.

Ja – für manche Menschen kann das ein wichtiger Teil ihrer persönlichen Achtsamkeitspraxis sein. Doodles und Ausmalvorlagen können nachweislich dabei helfen, Stress abzubauen und zu entspannen.

Aber nein – du musst das nicht so machen. Journaling ist kein Kunstwettbewerb. Und Ästhetik ist nicht der Grundgedanke. Das bestätigt auch Erfinder Ryder Carroll: „Vieles, was im Internet unter ‚Bullet Journal‘ kursiert, hat nichts mit meiner Methode zu tun, sondern ist reine künstlerische Ausgestaltung. Für mich ist ‚BuJo‘ eine Achtsamkeitsübung.“

Warum ich das extra betone? Weil mein eigener Anspruch, ein schickes und vorzeigbares Journal zu führen, dazu geführt hat, dass ich gleich dreimal hintereinander ein Bullet Journal begonnen und wieder abgebrochen habe. Ich habe gedacht: „Warum hilft anderen das Journaling so gut und ich stelle mich wie eine Memme an?“ – Ich hasste es, es weiterzubenutzen, wenn ich einen Satz durchstreichen musste. Ich riss Seiten heraus, die mir nicht hübsch genug vorkamen und fing immer wieder neu an. Ich fühlte mich nach meinen kläglichen Versuchen, nur mal eine Seite ohne Flüchtigkeitsfehler und Schmierereien zu schreiben, nur noch schlecht.

»Comparison is the thief of joy.«

Theodore Roosevelt

Mir ist es ein bisschen peinlich, mein obsessives Verhalten hier zuzugeben. Aber ich bin mir sicher, dass ich hier nicht die Einzige bin, die mitunter völlig übertriebene Ansprüche an sich selbst stellt. Meine Lösung: Ich nutze nur noch einen einzigen Stift und das war’s. Keine bunten Doodles, kein Schnickschnack. Ich weiß, dass ich sonst nicht dranbleiben würde.

4. Sich selbst mit anderen Augen sehen

So richtig spannend wird mein Journal, wenn ich am Monatsende anschaue, was alles passiert ist. Was fällt auf? Sind Veränderungen oder Entwicklungen zu erkennen? Auf diese Weise kann dich auch dein Journal darin unterstützen, mehr in deine Fähigkeiten zu vertrauen, Klarheit im Leben zu finden und deine eigenen Ziele und Träume zu definieren.

Denk bitte immer daran: Du musst nicht perfekt sein. Dein Journal muss nicht perfekt sein. Du darfst darin herumschmieren und dich verschreiben. Du tust das nur für dich und für niemanden sonst.

Ein guter Punkt: nachhaltig, vegan und in 5 tollen Farben erhältlich
Ein guter Punkt: nachhaltig, vegan und in 5 tollen Farben erhältlich

Extra: Für alle, die gleich loslegen wollen

Was die Bullet Journal Methode so kraftvoll macht, ist ihr einfaches Ordnungssystem. Denn es hilft ja nicht, alles, was einem durch den Kopf geht, unsortiert im Notizbuch abzulegen. Dann findet man nämlich nichts wieder und mehr als die kurzfristige Freude, eine Liste geschrieben zu haben, bleibt uns nicht. Also Vorhang auf für die Basics der Bullet Journal Methode:

• Eine zu erledigende Aufgabe wird mit einem Punkt eingeleitet. Aus ihm wird ein X, sobald die Aufgabe erledigt ist.

> Wenn sich eine Aufgabe verschiebt, wird aus dem Punkt ein Pfeil.

◯ Ein Ereignis bekommt einen Kreis.

– Eine Notiz wird mit einem Gedankenstrich eingeleitet.

Keine Sorge, du musst dir diese Symbole erstmal nicht merken. Jan und Milena haben natürlich mitgedacht und auf Seite 6 in Ein guter Punkt direkt eine kurze Anleitung mitgeliefert. Auch einen Vordruck für das Inhaltsverzeichnis, den sogenannten Index, findest du dort. In den Index schreibst du unter anderem hinein, bei welcher Seitenzahl du einen neuen Monat begonnen hast. Oder du notierst dort die Seitenzahl einer Ideen-Sammlung, die du später noch benötigst. 

Ein kurzes Video mit meiner Tagesplanung findest du bei Pinterest. Das war’s schon im Wesentlichen. Mehr musst du zu Beginn gar nicht wissen. Probier dich einfach aus – und komm dir selbst ein Stückchen näher!

6 comments on »Wie wir mithilfe eines Bullet Journals bei uns selbst ankommen«

  1. Interessant, das erste Mal zu lesen, dass ich nicht alleine bin – wovon ich bisher immer unterschwellig ausgegangen bin. Ich liebe Notizbücher mit ihren blütenweißen, unschuldigen Seiten, die geradezu dazu einladen, sich kreativ auszutoben oder auf Teufel komm raus loszuschreiben. Wie viele dieser Bücher habe ich nicht gekauft – nur um keines davon mit mehr als einigen Seiten zu beschrieben. Nichts war gut genug, meine Gedanken zu uninteressant, meine Schrift zu krickelig und dann überall beleidigte Durchgestrichenes den Ästhetikanspruch. Entweder riss ich die Seiten heraus oder ich hörte einfach ganz auf damit. Davon zeugen noch heute quasi Bücherruinen in diversen Ecken meiner Wohnung. Dein Outing hilft mir, das Ganze nochmal zu überdenken und eventuell ganz neu anzugehen, denn ich bin auch so ein (undiagnostizierter) ADS-Kandidat, der schon sein ganzes Leben damit struggelt, einfachste Tagesstrukturen einzuhalten. Womöglich kann mir da ein Bullet Journal tatsächlich weiterhelfen.
    Danke nochmal!

  2. Ilsemarie

    Hallo Melina,
    herzlichen Dank für die tollen Tipps.

    Ich habe schon so viele Planer angefangen und
    immer nach kurzer Zeit weggeworfen weil ich doch nichts damit anfangen konnte.

    Aber dank Deiner Hilfe werde ich es nochmal versuchen.

    Liebe Grüße
    Ilsemarie

  3. Hallo liebe Melina,
    vielen Dank für den schönen Beitrag.
    Seit längerem mache ich täglich ein Bullet Journal und das hat mir sehr geholfen. Es ist zwar schwierig an manchen Tagen strikt alles einzutragen, da man am liebsten was anderes machen würde, aber wenn man diese Aufschiebe-Phase überwunden hat, wird das ganze zur Routine. Ich kann das nur jedem weiterempfehlen

    VG
    Patrick

  4. Katharina

    Als ich meinen neuen Guten Plan Pro für 2022 bestellt habe, habe ich mich sehr gefreut, hier einen Artikel von Melina von Vanilla Mind zu finden, der ich schon seit ein paar Jahren gerne folge. 🙂
    Auch dieser Artikel ist wieder super hilfreich, mich hat es bis jetzt auch immer abgeschreckt, mit einem Bullet Journal anzufangen, weil ich dachte, es muss perfekt sein, und mich geschämt habe, wenn es nicht so war. Jetzt habe ich letzte Woche (nach diesem Artikel) doch mal angefangen und bis jetzt macht es wirklich Spaß und erweist sich als hilfreich!

    • Hi Katharina,
      das ist ja schön zu lesen! Ich tappe auch immer wieder in die Perfektionismusfalle. Aber mich tröstet es immer wieder, dass es vielen so geht. Wir lernen eben jeden Tag. 😌
      Liebe Grüße,
      Melina

  5. Danke! Danke, danke, danke! Diese übertriebenen Ansprüche an mich selbst habe ich auch. “Warum können das die anderen, aber ich nicht? Und woher nehmen sie die Zeit, so kreative Seiten zu gestalten und JEDEN Tag einzutragen? Ich schaffe das gar nicht. Ich fühle mich schlecht.” Genau so! Danke für die Anregung und das Verständnis. Denn eigentlich hilft mir das einfache Gedankennotieren. Jetzt werde ich mit neuer Energie und anderer Sichtweise daran arbeiten.

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