Die Sache mit dem Alkohol

Das am wenigsten hinterfragte Suchtmittel der Welt: Ethanol

Mit dem Rauchen aufzuhören, hat zufällig erst geklappt, als ich gleichzeitig entschieden habe, auf unbestimmte Zeit keinen Alkohol mehr zu trinken. Nach jahrelangem Üben, Nichtraucherin zu werden, war ich überglücklich, als ich feststellte, dass sich durch das Weglassen von Alkohol endlich dauerhafter Erfolg im Nichtrauchen verzeichnen ließ.
Die Überlegung, für eine Weile keinen Alkohol zu trinken, hatte sich nach einem Abend aufgedrängt, an dem ich ein Mal zu oft das Gefühl gehabt hatte, über die Stränge geschlagen zu haben. Es gab keinen Unfall und keine große Entscheidung mit Paukenschlag. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es jetzt mal für eine Weile reicht.

Keinen Alkohol mehr zu trinken machte aber nicht nur den entscheidenden Unterschied, tatsächlich endlich nicht mehr zu rauchen, sondern setzte viele kleine und große Entwicklungen und Erkenntnisse im positiven Sinn in Gang. Mir wurde aber auch sehr bald eins klar: Wenn man keinen Alkohol mehr trinkt, hat man einerseits einige Probleme weniger, andererseits ein paar neue, mit denen man nicht gerechnet hat. Zum Beispiel, dass man vermutlich paradoxerweise als Alkoholiker*in wahrgenommen wird, wenn man keinen Alkohol trinkt. Und dass dies ein Label ist, dass sich alles andere als gut anfühlt.

Die ersten Monate ohne Zigaretten und Alkohol waren einige der besten, die ich je hatte. Keine inneren Debatten mehr darüber zu führen, etwas zu tun, von dem man genau weiß, dass es einem nicht gut tut, setzt ungeheuerliche Energien frei und erfüllt einen auf direktem Weg mit innerem Frieden. So überbordend glücklich, wie ich anfangs mit mir und meiner Entscheidung war, so verstörend waren allerdings auch die Eindrücke, die ich in Gesellschaft sammelte. Freudestrahlend und stolz verkündete ich, dass ich keinen Alkohol tränke, wenn das Thema aufkam. Ich fand das total vorwärts von mir. Ich fand es gut, damit aus der Menge herauszustechen.

Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung fielen in der Sache allerdings stark auseinander. Dauernd kam es mir so vor, dass eigentlich immer nur eine unausgesprochene Annahme im Raum stand: Nämlich, dass ich Alkoholikerin (gewesen) sein musste. Vielleicht kam mir das so vor, weil sich mein eigenes Verständnis der Dinge zu dem Zeitpunkt auf genau diesen Ausschnitt belief: Wenn man ein Problem mit Alkohol hat, rangiert man irgendwo im Bereich Alkoholiker*in. Und Alkoholiker*in sein ist nun mit die letzte Sache, die man sein will, gewissermaßen eine Schande, zumindest, wenn es sich dabei um einen selbst handelt. Vermutlich bekam ich einfach die Frage gespiegelt, die ich mir unterbewusst selber stellte: War ich eigentlich eine Alkoholikerin gewesen? Und falls ja, warum fühlte sich das so niederschmetternd an, wie ein persönliches Versagen?

Der wöchentliche Kater: Ganz normal?

Es hat lange gedauert, bis ich herausgefunden habe, dass die Frage, ob man Alkoholiker*in ist oder nicht, eigentlich überhaupt keine Rolle spielt. Denn der einzige Maßstab, mit dem gemessen werden sollte, ist das eigene Wohlbefinden. Wenn man sich die Frage stellt, ob man ein Problem mit Alkohol hat, ist die Frage eigentlich in dem Moment, in dem man sie sich stellt, beantwortet. Denn dir die Frage zu stellen, weist darauf hin, dass du vielleicht nicht alle Erfahrungen mit Alkohol als positiv einschätzt und dies deinem Wohlbefinden entgegen steht. Außerdem ist die Annahme, dass man erst mit dem Trinken aufhören sollte, wenn man diagnostizierte*r Alkoholiker*in ist so irrig, wie es unlogisch wäre, erst mit dem Rauchen aufzuhören, wenn man Lungenkrebs hat. Die undifferenzierte Sicht, die ich lange selbst unbewusst vertrat, wurde durch die Beschäftigung mit der Frage „Alkoholiker*in: Ja/Nein/Vielleicht“ zum Glück aufgeweicht.

Es tat sich ein vielfältiges Spektrum auf, in dem sich Probleme mit Alkohol abspielen können. Es gibt zahlreiche Abstufungen von Alkoholproblemen. Vereinfacht und zusammengefasst lässt sich daraus grob ableiten, dass zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit grundsätzlich zu unterscheiden ist. Dabei gilt es zu beachten, dass der Missbrauch eine hohe Gefahr birgt, sich zu einer Abhängigkeit zu entwickeln. Die Abhängigkeit ist wiederum in eine psychische und körperliche zu unterteilen, auch hier führt die erste mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit zu zweiterer, wenn nichts dazwischen kommt. Jedenfalls trinkt man nicht vergnügt Alkohol, bis man plötzlich eines Tages mit zitternden Händen auf einer Parkbank als Mann ohne Erinnerung aufwacht.

Bei keiner anderen Droge wird erwartet, dass man sie konstant konsumiert, ohne Probleme zu bekommen

Aber wie kommt es eigentlich, dass es sich so schlecht anfühlt, wenn man sich selbst klar darüber wird, dass man keinen vollkommen unbeschwerten Umgang mit Alkohol hat? An den Konsum von Alkohol ist die oft unbewusste Erwartung geknüpft, dass man als erwachsene, selbstverantwortliche Person damit umgehen können sollte. Falls dies nicht so ist, wird daraus geschlussfolgert, dass etwas nicht mit einem stimmt. Dass man vielleicht einfach zu unkontrolliert ist, sich nicht im Griff hat, vielleicht sogar willens- oder charakterschwach ist. Seltsamerweise wird vom Umgang mit keiner anderen Droge erwartet, dass man einen so häufigen und regelmäßigen Konsum dauerhaft unter Kontrolle behält, ohne dass Probleme auftreten oder eine Abhängigkeit entsteht. Besonders, weil Drogenkonsum meistens einen gewissen Kontrollverlust zum erklärten Ziel hat. Die Idee zu sagen „Ich habe es einfach nicht geschafft, verantwortungsvoll und bewusst mein Kokain zu genießen, ich hätte mein Limit kennen müssen, es ist meine eigene Schuld!“ scheint relativ absurd.

Bedingung für ein erfülltes Sozialleben oder krampfhaft zur Schau gestellte Lebensfreude?

Jeder weiß, wie tückisch Drogen sind und wie schnell die Areale lahm gelegt werden, die für verantwortungsbewusstes Handeln und Entscheiden zuständig sind. Bei anderen Drogen ist man weder überrascht, wenn sie über kurz oder lang zu Problemen und Abhängigkeiten führen. Schon gar nicht wird unter allen Umständen versucht, den Konsum aufrecht erhalten zu können. Von Drogen, wird empfohlen, soll man besser Abstand halten, weil man weiß, dass sie schnell die Kontrolle über einen gewinnen können. Also lautet die Devise: Gar nicht erst anfangen. Nur Alkohol soll man bei jeder Gelegenheit zu sich nehmen, um gesellschaftskonform zu sein. Alkohol ist zwar berühmt dafür, Menschen die Kontrolle verlieren zu lassen, man wird aber gewissermaßen verurteilt, wenn man genau das tut.

Es wird suggeriert, dass nicht der Alkohol das Problem ist, sondern du

Stell dir vor, bei nahezu jedem gesellschaftlichen Anlass würden Drogen konsumiert werden, so wie es bei Alkohol der Fall ist. Niemand wäre überrascht, wenn dieses Verhalten bei vielen zu Schwierigkeiten führt und sich Abhängigkeiten entwickeln. Immerhin sind es Substanzen, die bekannt dafür sind, einen zu überrumpeln. Warum sollte Alkohol da eine Ausnahme bilden? Nur weil dir im Fall von Alkohol die komplette Verantwortung übertragen wurde, bedeutet das nicht, dass du persönlich versagt hast, wenn du diese Verantwortung nicht tragen kannst. Durch Aufrufe wie „Kenn dein Limit“ und „Bier bewusst genießen“ wird vermittelt, dass nicht die Substanz, sondern dein Umgang mit ihr problematisch ist, also du problematisch bist, wenn du dem Aufruf nicht Folge leistest. Uns wird nicht offiziell beigebracht, wie man mit Alkohol verantwortungsvoll umgeht. Aber es wird trotzdem stillschweigend erwartet.

Die allerwenigsten von uns verfügen über den zufällig passenden Mix von Voraussetzungen, die einen „unverwundbar“ in Bezug auf Alkohol und andere Drogen machen. Diese Voraussetzungen liegen zu großen Teilen außerhalb deiner Macht. Auch wenn die Mauer der Vorurteile stellenweise langsam bröckelt, so wird sie vielerorts noch sehr stabil zusammengehalten. Um so wichtiger ist es, die eigenen Glaubenssätze mal zu untersuchen, richtig zu stellen und die eigenen Erkenntnisse dann auch nach außen zu vertreten. Vielleicht würden sich schon viel mehr Menschen trauen, keinen Alkohol mehr zu trinken, wenn es gesellschaftlich akzeptierter wäre und sie nicht befürchten würden, falsch wahrgenommen zu werden.

Es ist keine Schwäche, ein Problem damit zu haben, Lösungsmittel zu trinken

Falls du auch schon einmal überlegt hast, ob es eigentlich besser für dich wäre, keinen Alkohol mehr zu trinken, du aber nicht genau weißt, wie du dich in einer Gesellschaft bewegen sollst, in der Alkohol so omnipräsent vertreten ist, nimm folgende Gedanken mit auf den Weg:

  1. Medizinische Kategorien über das Spektrum von Problemen mit Alkohol sind nicht das einzige, was wichtig ist. Online-Tests oder Vergleiche zwischen deinem Konsum und dem anderer Menschen geben keine zuverlässigen Hinweise darauf, wie dein Alkoholkonsum in Zukunft aussehen sollte. Wenn du dich nicht vollkommen frei und fröhlich fühlst in deinem Verhältnis zu Alkohol, gehe dem nach. Was steckt dahinter?
  2. Wenn du keinen Alkohol mehr trinken willst, bedeutet das nicht, dass du einen willensschwachen Suchtcharakter hast. Im Gegenteil: Du verfügst offensichtlich über einen sehr willensstarken Charakter und achtest gut auf dich, deine Bedürfnisse und deine Gesundheit. Du schaffst es sogar, ohne hemmungslösendes Suchtmittel den Abend in Gesellschaft zu verbringen. Den Suchtcharakter hat Alkohol, nicht du. Dass man seine Finger von einer Substanz lässt, die potenziell abhängig machen kann, ist kein Zeichen davon, dass du schwach bist und dich nicht kontrollieren kannst, sondern beweist das Gegenteil. Alkohol zu trinken ist nicht essenziell für ein glückliches, spannendes, erfülltes Leben, genauso wenig wie Zigaretten dir „liberté toujours“ bescheren.
    Dein Körper und deine Psyche sind nicht dafür gemacht, mit der Regelmäßigkeit Alkohol zu verkraften, wie dir auf vielen verschiedenen Wegen suggeriert wurde. Alkohol ist immerhin nur ein anderes Wort für Ethanol. Und das wird neben Getränken in erster Linie als Lösungsmittel in Medizin und Kosmetik sowie als Kraftstoff zum Betrieb von Verbrennungsmotoren verwendet. Wenn du also Schwierigkeiten damit hast, Motorentreibstoff zu trinken, gibt es keinen Grund, dich deswegen schlecht zu fühlen, zu schämen oder dich zu fragen, was mit dir nicht stimmt.
  3. Alkohol ist oft sehr stark mit unserer Identität verknüpft. Lass dir Zeit herauszufinden, welche Bilder, Glaubenssätze und Grundannahmen du hast über das Leben mit und ohne Alkohol. Nimm dir noch mehr Zeit dafür, diese in Frage zu stellen und zu überprüfen. Hat Alkohol etwas mit dem Rockstar zu tun, der du immer sein wolltest? Kennst du das Image der Kulturschaffenden, die immer Wein trinken? Es gibt so viele Identitäten, die man mit dem Trinken von Alkohol zu untermauern versucht und es ist kein Zufall, dass es für jede Identität und Lebenslage das perfekt gebrandete Getränk gibt.
  4. Besonders wenn du manchmal unter Depressionen oder Ängsten leidest, tust du dir einen großen Gefallen damit, keinen Alkohol mehr zu trinken. Zwar wird gegen beides oft und voller Hoffnung auf Linderung angetrunken, in Wirklichkeit verschlimmert Alkohol Depressionen und Ängste im zweiten Schritt und verursacht sie sogar im dritten (Quelle).
  5. Auch beim Thema Alkohol lohnt es sich, Achtsamkeit und kritische Selbstreflexion dazu zu holen: Was sind die wirklichen Gründe, wenn du Alkohol trinkst? Geht es dir wirklich nur um den Geschmack? Trinkst du mehrmals pro Woche Alkohol und verbringst öfter mal einen Tag verkatert im Bett? Ist das deiner Meinung nach ganz normal und keinen einzigen Gedanken wert? Wenn ja, warum ist das so?
  6. Auch wenn es keinen etwas angeht: Überleg dir eine schlichte Antwort, zu der du stehst, auf unverblümte Nachfragen wie „Warum trinkst du denn nicht?“ Es kann eine ebenso unverblümte Gegenfrage sein wie z.B.: „Warum trinkst du denn?“ oder: „Warum trinkst du denn noch?“
    In keinem Fall solltest du dich zu der Antwort gedrängt fühlen, auf die viele der Fragesteller zu lauern scheinen: „Ich bin trockene*r Alkoholiker*in.“ Damit fühlen sich die wenigsten wohl, vor allem stimmt es in vielen Fällen auch einfach gar nicht. Ich für meinen Teil bin zu der folgenden einfachen und ehrlichen Antwort gekommen: „Ich trinke nicht mehr, weil ich keinen entspannten Umgang mit Alkohol hatte und lieber aufhören wollte, bevor es richtig schwierig geworden wäre, aufzuhören.“

Zu guter Letzt: Sollte es problematisch geworden sein, aufzuhören: Sprich mit Ärzt*innen, denen du vertraust. In einer fortgeschrittenen Abhängigkeit kann ein plötzlicher Entzug lebensbedrohlich sein.

Möchtest du mehr zum Thema erfahren? Die Inspiration für diesen und viele Gedanken aus diesem Artikel stammen aus dem Buch „Quit Like a Woman: The Radical Choice to Not Drink in a Culture Obsessed with Alcohol“ von Holly Glenn Whitaker.

Was ist deine Meinung zum Thema? Lass es uns in den Kommentaren wissen!

35 comments on »Die Sache mit dem Alkohol«

  1. Danke für all diese Aussagen. Habe noch keine so zutreffenden Zeilen über das Thema 《aufhören》gelesen. Berührt mich sehr, aus der Seele geschrieben. Vielleicht hilft es mir beim durchhalten. Ich habe in meiner Umgebung zum Glück Menschen die einen Nichttrinker keineswegs verurteilen. Zu viele (erschreckend viele ) haben schlimme Situationen mit Alkoholkranken durchgemacht.
    Alles braucht seine Zeit. Alles braucht viel Willenskraft. Erst wer merkt das es ihm ohne Alkohol besser geht, hat eine Chance ihm zu widerstehen.
    Viel Erfolg für alle…

    • Friend of Bill

      Hallo Marina, auch viel Erfolg für Dich.

      Deine letzte These sagt indirekt aus, dass Alkoholkranke Menschen nicht viel oder genug Willenskraft besitzen, oder es nicht merken, dass es ihnen ohne Alkohol besser geht. Sie merken es, und sie besitzen oft genug Willenskraft. Wir sprechen hier von einer Krankheit, die wie so gut hier beschrieben, nicht erst beginnt wenn man eines Morgens, auf der Parkbank ohne Erinnerung aufwacht. Sie beginnt zuerst psychisch, schleichend über Jahre hinweg und wird fortschreitend physisch. Alkoholiker haben unter anderem Hemmungen und Probleme, durch den in dem Artikel beschriebenen gesellschaftlichen Aspekt, sich einzugestehen das sie Alkoholkrank sind. Oder können aus anderen Gründen “noch” nicht ehrlich zu sich sein (hat bei mir gut 25 Jahre gedauert). Es ist eine Kombination aus mehreren Dingen.

      Für mich war das akzeptieren und kapitulieren vor dieser Krankheit ein erster Weg zur Genesung. Ich habe so ziemlich vieles in meinem Leben durch meine Willenskraft erreicht was ich wollte. Nur nicht meine Sucht zu stoppen. Es ist ein Prozess, und ja, es braucht Zeit…

      Ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber ich bin irgendwann zum AA Meeting gegangen. Es hat über eine gewisse Zeit meine Perspektive auf mich und mein Leben verändert.

  2. Ich mag den Satz “Nüchternheit ist eine Liebeserklärung an sich selbst.”

  3. OLIVER

    Toll. Sehr schön be- und geschrieben.
    Ich beginne in den nächsten Tagen einen Alkoholentzug in einer Klinik und peile an, das Kettenrauchen gleichzeitig einzustellen.
    Beste Wünsche!

    • Hallo Oliver,
      ich bin Marie und finde es bemerkenswert, dass du den Mut gefunden hast, dich unter diesem starken Beitrag mitzuteilen! Gerade vor dem Antritt deines Entzuges dein Vorhaben mitzuteilen, zeigt, dass du dich wirklich dazu entschlossen hast aufhören zu wollen. Ich hoffe natürlich, dass dein Vorsatz funktioniert und es dir schon jetzt besser geht.
      Sollte das aber nicht der Fall sein, melde dich doch gerne mal bei mir. Ich arbeite für eine Firma, die momentan ein Projekt am Laufen hat, das Menschen wie dir aus Ihrer Sucht helfen möchte und dabei unterstützt.
      Liebe Grüße

    • Eva Bergmann

      Das ist eine gute Idee, lieber Oliver. Ich habe es auch geschafft…..glaub mir…..es ist eigentlich ganz einfach…..wie Fahrradfahren lernen. (Tabakkonsum täglich 2 Päckchen Mallboro light und eine Flasche Rotwein oder 4 Whiskey) Und wenn du es nach ein paar Tagen oder 2 Wochen geschafft hast, dann bist du kein Alkoholiker mehr, kein Trockener…….das ist der grösste Quatsch. Du brauchst auch keine Gebote. Du bist dann ein Mensch, der keine Lust mehr hat zu trinken und zu rauchen. Ich habe allerdings zuerst mit dem Rauchen aufgehört. So tapfer war ich doch nicht, beides zusammen zu beenden. Und heute trinke ich wirklich so gerne klares Wasser und lese viel über gesundes Essen. Mein Problem ist jetzt der Zucker. Aber das schaffe ich auch. Genau wie Du, lieber Oliver. Liebe Grüsse aus Mallorca, Eva

  4. Liebe Kathrin, dein Artikel hat mir richtig gut gefallen. Ich habe mit 15/16 angefangen regelmäßig zu trinken und das war eine ganz normale Sache. Wenn ich da mal so doll über Stränge geschlagen habe, dass ich von meinen Eltern abgeholt werden musste, dann gab es zwar kein Donnerwetter zu Hause, aber stolz waren meine Eltern natürlich auch nicht. Nur trinken die selber sehr gern, so wie auch alle in ihrem Umkreis. Sie sagten mir auch nicht, dass ich das ich das Trinken sein lassen soll, sondern dass ich vorsichtig mit dem Alkohol sein soll. Ich bin deshalb nicht sauer auf sie, weil sie es selbst nicht anders kannten und kennen, aber dennoch ist es einfach absurd von einer Jugendlichen zu erwarten den neu entdeckten Spaß am Alkohol einfach ganz von alleine verantwortungsbewusst zu händeln. Mein 17jähriger Cousin hat auch vor einem Jahr das Trinken entdeckt und ich bin ein bisschen froh fast, dass Covid ihn momentan davon abhält genauso über die Stränge zu schlagen wie ich damals, oder auch wie seine eigenen Eltern. Auch wenn er das natürlich anders sieht. Er findet Alkohol so gut, dass meine Tante meiner Mutter als Weihnachtsgeschenk für ihn vorgeschlagen hat, eine gute Flasche Gin zu schenken. Die meine Mutter auch sofort bestellt hat. Die Begründung war, dass es besser ist kontrolliert mit den Eltern zu trinken, bzw. mit ihrer Erlaubnis, als es heimlich zu machen. Als ich die Hände über den Kopf zusammengeschlagen habe, als Mama mir erzählte, was er zu Weihnachten bekommt, haben sie und meine Schwester argumentiert, dass ich doch damals auch getrunken habe und dass es so doch auch besser ist, als der Billigkorn, den ich mir vom Kiosk geholt habe (Besser gutes Koks von den Eltern bekommen, als sich selbst um Speed kümmern zu müssen). Ich finde es sendet einfach die absolut falschen Signale einem Jungen, der noch nicht mal erwachsen ist, eine Flasche mit Alkohol zu schenken, die er sogar vom Gesetz her noch nicht mal trinken darf. Aber ich hätte auch Bier oder Wein nicht richtig als Geschenk gefunden. Aber dass sie ihm sogar Alkohol schenken wollten, für den er rein rechtlich noch zu jung ist, zeigt doch auch irgendwie, dass die Jugendschutzgesetze bezüglich Alkohol so lasch sind, dass sie von vielen auch gar nicht so ernst genommen werden. Wir hatten dann eine längere Diskussion darüber, ob das nun ein geeignetes Geschenkt ist, oder nicht. Und letztlich haben wir zusammen überlegt, was ein besseres Geschenk wäre und er hat dann zum Glück auch etwas anderes bekommen.
    Ich habe jetzt über 13 Jahre mal mehr und mal weniger Alkoholkonsum hinter mir. Und während ein paar etwas harmlosere bis mittelschwere Alkoholeskapaden bei Familienfesten für einige Lacher sorgen, würden Stories darüber, wie ich auf MDMA einfach nur dumm grinsend und zähneknirschend im Park lag und irgendwann wieder nach Hause gegangen bin, wohl ernste Probleme hervorrufen.
    Chemische Drogen nehme ich zum Glück schon lange nicht mehr, und Alkohol trinke ich auch kaum noch. Ich habe erfreut festgestellt, dass ich trotzdem wild und ausgelassen tanzen kann. Aber zwei Besäufnisse gab es in den letzten Wochen schon. Sie waren nicht geplant und es war wie immer so, dass ich nach vier Bier kein Halten mehr kannte. Ich hab das auch irgendwie immer als “mein” Problem angesehen, dass ich mein Limit eben nicht kenne.
    Als ich im September bekannt gab, dass ich nun mindestens acht Wochen keinen Tropfen mehr trinken werde, um das mit dem Rauchen aufhören endlich mal zu schaffen, da hab ich größtenteils positive Reaktionen bekommen. Aber ein Bekannter versuchte mich die ganze Zeit zu überreden das auf siebeneinhalb Wochen zu verkürzen, damit ich auf seiner Geburtstagsparty trinken kann (die wegen des Lockdowns natürlich ausgefallen ist). Ich finde es traurig, dass feiern so eng mit Alkohol verknüpft ist und muss gleichzeitig reumütig zugeben, dass ich wahrscheinlich öfter als ich zählen kann auch als Trinkanimateurin fungiert habe und noch mehr bereue ich, dass ich auch versucht habe Leute zum Trinken zu überreden, die mehrmals sagten, sie wollen nicht. Für mich war das völlig normal und ich hab mir überhaupt nichts Böses dabei gedacht. Das tut mir jetzt richtig Leid, wenn ich daran denke und ich schäme mich dafür.
    Umso mehr freue ich mich über ein neu gewonnenes Lebensgefühl und neue Erfahrungen zu genießen. Während ich “früher” sofort Lust auf ein Bier oder einen Wein hatte und eine Zigarette, wenn ich Freunde besucht habe (auch wenn es noch früh am Nachmittag war oder sogar vormittags manchmal), finde ich es jetzt richtig schön ein neues Gefühl zu erleben, das eigentlich alt ist, aber schon längst vergessen: Nämlich sich mit Freunden treffen wie früher mit 13/14. Wo man gar nicht an Alkohol, Zigaretten und kiffen gedacht hat (das alles sogar gruselig fand) und sich trotzdem schon auf den Tag und den Abend gefreut hat. Mit Filmen, Musik hören, tanzen, über Jungs und Probleme reden, Geheimnisse verraten, basteln, Spiele spielen und was leckeres Essen.
    Meine Freunde finden es mittlerweile auch normal, dass ich wahrscheinlich nicht mittrinke und das gefällt mir irgendwie richtig gut, ich fühle mich dann immer ganz stolz, wenn sie sagen “Für dich kein Bier, oder?”. Und ich freue mich, wenn dann ab und zu extra für mich ein alkoholfreies Bier im Kühlschrank steht. Nicht weil ich unbedingt einen Ersatz brauche, sondern weil ich das tatsächlich richtig lecker finde, und Cola oder süße Säfte nicht so mag. Ich freue mich riesig diesen Schritt gegangen zu sein und das Trinken so doll reduziert habe, dass ich über Wochen ohne Probleme gar nichts trinke. Und jede negative Reaktion darauf bestätigt mich genauso wie jede positive Reaktion. Genauso wie dieser Artikel mich nochmal sehr darin bestätigt hat.

    Liebe Grüße
    Heike

  5. Kerstin de Witt

    Hallo an alle, liebe Kathrin,
    ein wunderbarer Artikel – Du sprichst mir aus der Seele!! Es ist tatsächlich immer wieder erschreckend, wie die Gesellschaft und unsere Konditionierungen uns leiten oder uns vorgeben, wie wir zu leben haben…
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    Es ist intressant wie unterschiedlich eine Alkoholabhängigkeit definiert wird. Die Frage, die man sich stellen sollte, ist doch: warum trinke ich überhaupt etwas, das meinem Körper schadet…? Stecke ich mit dieser Frage nicht schon voll in der Sucht??
    Danke Kathrin für diesen Artikel, darf ich ihn auf meiner Facebook Seite posten?

  6. Hallo LeidensgenossenInnenich sehe mich auch absolut wieder in den Berichten. Ein Aspekt fehlte mir aber was haltet ihr von alkoholfreim Bier oder Sekt? Da ich sonst keine Softdrinks etc mag und ich von Wasser die Nase voll habe,ist das für mich eine gute Alternative zumindest um den Geschmack noch zu haben. Eure Meinung? VG

    • Hallo Sofija,
      ich nutze das auch gern, allein die “Flasche” macht es für erträglicher dass ich nichts trinken kann. Wasser oder den ganzen Abend Cola zu trinken zieht mich irgendwie total runter und so schwimme ich zumindest irgendwie mit.. auch wenn ich dafür manchmal noch belächelt und ich oft Sprüche höre wie “iih wie kannst du nur”und “nur Alkis trinken alkoholfreies Bier-das würde ich niemals tun, dann würde ich lieber Wasser trinken” blablabla. Mein Freundeskreis hat sich aber größtenteils daran gewöhnt und trinkt mittlerweile selbst ganz alkfreies Bier.
      Dennoch zeigt es mir wie gefangen ich nachwievor von dem bin, was ich Jahre lang gelernt habe-das Alkohol (und somit auch in alkoholfreie Form) dazu gehört. Und ich merke dadurch, wie tief ich noch in der Problematik drin stecke. Aber das alkoholfeie Bier/Sekt macht aktuell noch leichter für mich..

      • Oh ja, genauso geht es mir. Die Gewohnheit ist nach wie vor da, und das kleine braune Fläschen anzulegen ist doch noch irgendwie ein Trost. Schlimm, aber was soll man machen…Deine Meinung unterstützt mich unheimlich und ich bin froh, dass mir erstens jemand geantwortet hat und zweitens die Sache genauso sieht wie ich. Immerhin habe ich einen ähnlichen Geschmack allerdings ohne die gleichen Folgen. Man, ich hoffe, der Schmacht wird irgendwann mal besser 🙁 Haltet alle die Ohren steif! Ist nicht einfach…

        • Huhu Sofija, vielleicht hast du ja Lust mit mir ein bisschen darüber zu schreiben? Mir würde das gut tun, im Kontakt mit jemanden Gleichgesinnten zu sein.
          Natürlich nicht hier, ich würde dir dann eine Trash-Mail-Adresse von mir Posten und dann können wir ja Mails schreiben wie es uns so dabei geht und welche Fortschritte wird machen oder was auch immer. Meld dich gern wenn du Lust hast, ich hoffe du liest das hier nochmal 🙂

          • LIEBE SOFIJA,
            entschuldige die späte Antwort. Ich habe dir heute geschrieben, aber meine Nachricht kommt leider nicht bei dir an, denn die Mail-Adresse gibt es nicht (mehr).
            Ich würde hier dann kurz eine Mail-Adresse posten damit wir uns die richtigen austauschen können.
            Meld dich falls noch Bedarf besteht.

          • Oh ja, das würde ich sehr gerne mal. Ich habe mich leider erst jetzt melden können, da ich zwischenzeitlich eine Entgiftung vom Alkohol durchgeführt habe, also eine Art Entzug, aber mir fehlt immer noch irgendwie der “Hebel”. Irgendwie tendiere ich nicht zur Abstinenz sondern eher zum Kontorllierten Trinken. Daher habe ich auch eine Einzeltherapie dazu begonnen. Meine Email Adressse lautet sofija.vanov@web.de. BItte schreib mit einfach mal an…
            Ganz viele Leidensgrüße

  7. Für alle, die sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten empfehle ich das Buch “Alcohol explained”. Es hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet und dazu inspiriert keinen Alk mehr zu trinken. Einen Monat habe ich nun nichts getrunken, trotz einiger guter Gelegheiten wie Partys, Geburtstag etc. Gründe und Gelegenheit gibt es ja immer …

    Ich habe gemerkt dass ich zunehmend ängstlicher und depressiv verdtimmter wurde über die Jahre mit regelmäßigem Konsum – das ist jetzt einfach weg. Mir war nie klar, dass Alkohol dabei eine Rolle spielt. Jetzt habe ich die meisste Zeit gute Laune, keine regrets, meine Schlafqualität ist durch die Decke gegangen, ich bin viel ruhiger geworden…keine Achterbahnfahrt der Gefühle mehr. Ich lese viel mehr und ernähre mich gesünder, mache viel Sport und habe Spaß dabei. Morgens früh raus und laufen gehen ohne Kater…ich muss sagen ich bin ohne Alk glücklicher und zufriedener.

    • Wow, du sprichst mir aus der Seele…. Dein Eindruck und dein „warum“ du nichts mehr trinkst – es ist der 1:1 gleiche immer wiederkehrende Kreislauf, in dem ich steckte. Einfach nur zum kotzen, dabei stellt man aber – bis Tag x ein tritt , keinerlei Parallelen zum Konsum des Alkohols her. Aber genau daran und an nichts anderem liegt es. Und das Thema kontrolliert Trinken : der Schuss ging bei mir so dermaßen nach hinten los und ich trank einfach das 2-3 fache. Alkohol macht den größten Upfuck mit einem.
      Das ist hinterlistig und perfide.
      Deshalb habe ich auf die Bremse getreten und bin seither nüchtern.
      Und : es geht mir gut wie schon lange Jahre davor nicht mehr. [gekürzt, Anm. d. Red.]

  8. Ein toller Artikel, vielen Dank! Ich möchte endlich mit dem Rauchen und Trinken aufhören. Dass ein missbräuchlicher Konsum Folgen hat, musste ich in der Familie leider bereits erfahren und trotzdem ist es mir nicht gelungen, meinen Alkoholkonsum zu mässigen. Ich fühle mich regelmässig (eigentlich wöchentlich…) sehr schlecht, wenn ich wieder zu viel getrunken habe. Ich kämpfe dann zum einen mit Vorwürfen die ich mir selbst mache, habe Streit in einer sonst schönen Beziehung und mache/sage Dinge, die ich am nächste Tag bereue. Eigentlich bin ich ein kontrollierter Mensch, ich laufe jährlich einen Marathon, und war bisher immer stolz, dass ich das schaffe auch ohne “gesunden” Lebensstiel… Im Ziel werde ich jeweils mit Champagner erwartet, meine Freunde finden es toll, dass ich eigentlich keine von “denen” bin… Das hört sich richtig doof an;) Mein Problem
    ist, dass ich seit Jahren regelmässig viel trinke und kaum stoppen kann, wenn ich erst ein mal angefangen habe. Ich habe das Gefühl, der Alkohol entspannt und lockert mich. In meinem Freundeskreis gehört es dazu, viel und oft zu trinken. Den Konsum “zu mässigen” wird mir wahrscheinlich nicht gelingen, ich bin mir bewusst, dass ich ganz verzichten muss. Der Artikel ist sehr ermutigend und ich finde die Art, wie du damit umgehst beeindruckend. Ich hoffe es gelingt mir, dem Trinken endlich abzuschwören – auf jedenfall habe ich ein gutes Gefühl und möchte an der Geburtstagsfeier meiner besten Freundin am nächsten Wochenende versuchen nüchtern zu; sein) Äs wäre schön, trotz Feier am nächsten Tag laufen gehen zu können und kein Fehlverhalten bereuen zu
    müssen….

    • Man Jana, ich hatte kurze Zeit gedacht, ich selbst hätte den (also deinen) Beitrag geschrieben. Ich hatte nämlich auch einen verfasst ( “Sandra aus Dresden” und “Sandra” als Antwort). Das ist so verrückt! Es ist, als würdest du mich beschreiben.
      Wenn du reden möchtest, meld dich, vielleicht können wir ein paar E-Mails dazu austauschen. Ich würde mich darüber freuen, mich mit Gleichgesinnten austauschen zu können ohne dabei zu den anonymen Alkoholikern gehen zu müssen… LG

  9. Ich finde deinen zweiten Punkt sehr wichtig. Irgendwie ist das Alkohol-Trinken mit einem “starken” Charakter verbunden. Ich finde dagegen, die Kontrolle über Alkohol Synonym für Charakter. Mein Bruder hat Probleme mit Alkohol und möchte den Konsum reduzieren. Ich werde an ihn diesen Beitrag weiterleiten. Danke!

  10. Hallo ihr Lieben, gerne teile ich euch meine Erfahrungen zu diesem Thema mit. Seit dem 10.11.2016 rauche ich nicht mehr und habe auch so gut wie keinen Alkohol mehr konsumiert. Das lag mitunter an zwei Schwangerschaften und entsprechender Stillzeiten. Mir und auch meinem Körper ging es sehr gut damit. Leider oder vielleicht auch glücklicherweise haben sich viele “Freunde” von mir abgewandt, weil sie mit mir als (nüchterne) Person nicht mehr viel anfangen konnten. Das waren Freunde, die regelmäßig mehrmals in der Woche Alkohol konsumieren. Ich war da früher immer “voll” dabei… fühlte sich dieser berauschte Zustand doch irgendwie “leicht” und “sorglos” an. Doch dieser Zustand währte nie lang. Irgendwann hinterfragt man das Ganze… sofern man sich seine Gehirnzellen noch nicht vollends abgetötet hat. 😉
    Ich habe festgestellt, dass diese alkoholisierte Gesellschaft, mit der ich mich abgegeben habe, sehr oberflächlich war und immer noch ist. Ich bekam immer öfter zu hören, wie sehr ich mich verändert hätte. Ich für mich kann nur sagen… ich bin immer noch die Gleiche, ich trinke nur keinen Alkohol mehr.
    Heute habe ich sehr viel weniger Freunde, aber die, die mir geblieben sind, mögen mich auch nüchtern… und das ist eine sehr schöne Erfahrung.
    Und noch ein kleines Beispiel, dass man ganz schnell als Alkoholiker*in abgestempelt wird… meine Schwiegermutter hat nie Alkohol getrunken und sie wurde in ihrem Leben mehrfach als trockene Alkoholikerin abgestempelt. Ich finde so eine Behauptung wirklich unverschämt. Warum kann man das nicht einfach als gegeben hinnehmen und muss den Leuten, die bewusst und gesund leben möchten, so etwas unterstellen? Seltsame Zeit, in der wir da leben…

  11. Ich mag tatsächlich nur sehr wenige alkoholische Getränke (geschmacklich) und trinke dementsprechend selten etwas, wenn ich mit Freund*innen oder Kolleg*innen unterwegs bin. Das ist allerdings auch ein Problem, weil ich von jeher (und noch immer, ich bin Mitte 40!) misstrauisch beäugt wurde oder sogar aufgefordert wurde, mitzutrinken, weil es sonst so “ungemütlich sei”. Ich habe noch nie jemandem seinen Alkoholkonsum vorgehalten oder von betrunkenen Aktionen berichtet, ich bin niemand, der sauertöpfisch still herumsitzt, während die anderen alkoholbeseelt “lustiger” werden, sondern war eigentlich immer aufgedreht genug, um nüchtern mithalten zu können.
    Trotzdem fällt es vielen Menschen auf Feiern sehr schwer, zu ertragen, dass ich lieber ein Wasser trinke. Und wenn ich mir dann mal ein Glas Wein oder Wermuth bestelle, wird es SOFORT dämlich kommentiert.
    Das nervt und zeigt mir, wie unentspannt viele Erwachsene mit ihrem EIGENEN Alkoholkonsum umgehen.

  12. Hallo ihr lieben,
    Ich bin trockene Alkoholikerin und finde sehr schön wie ihr im mittleren bis hinteren Teil in die Differenzierung geht. Ich merke dass der Artikel für Menschen geschrieben ist, die nicht betroffen sind. Aus der Zeit als ich auf der Suche nach einer Antwort war, kann ich jedoch sagen dass ich in dem Artikel nicht so weit gekommen wäre und ich wieder alleine mit meiner Sucht dort gesessen hätte. Ich finde es wunderschön Menschen dabei zu helfen herauszufinden, dass sie nicht betroffen sind, kann mir aus meiner Sicht aber nur ein Türchen für die wünschen, die eben betroffen sind.
    Vielleicht denkt ihr ja nochmal drüber nach, ob das für euch auch interessant ist 🙂
    Da kann ich euch das erwähnen von Selbsthilfegruppen übrigens empfehlen. Hier trifft man auf Menschen die betroffen sind, kann mit ihnen sprechen und so für sich noch mal anders rausfinden ob man betroffen ist. Außerdem ist das viel einfacher als mit dem Arzt zusprechen, die Schamgrenze und die Hemmschwelle zur totalen Ehrlichkeit können hier einfach zu groß sein.

    Ich finde toll dass ihr über diese Themen sprecht. Danke.

  13. Ich kenne das Vorurteil gar nicht, dass Leute denken dass mensch Alkoholiker*in ist, wenn mensch nicht trinkt. Ich trinke sehr selten auf bestimmten Anlässen mal eine Glas Wein oder Sekt, aber auch dann nur wenn ich mich damit wohlfühle….

  14. Toller Artikel!
    Ich habe schon öfter versucht, Abende ohne Alkohol zu verbringen und es ist erschreckend, was für Probleme andere Leute damit haben. Ich habe schon mal richtig Streit mit einem Freund bekommen, weil er der Meinung war, als gute Freundin müsse ich mit ihm trinken, damit er seinen Abend besser genießen kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es noch einigermaßen akzeptiert wird, wenn man einfach generell keinen Alkohol trinkt. Wenn jemand aber gesehen hat, dass ich gestern etwas getrunken habe und heute einfach nichts trinken will, dann kommt er damit aus irgendeinem Grund nicht klar.
    Manchmal funktioniert es auch ganz gut, zu sagen “heute trinke ich nichts”, das wird noch akzeptiert. Wenn ich aber nur ein Bier trinken möchte und danach aufhöre, versuchen die Leute, mich zum weitertrinken zu überreden.
    Dasselbe gilt übrigens fürs Fleisch Essen. Vegetarier sein ist anscheinend OK, aber “heute möchte ich kein Fleisch essen” wird nicht akzeptiert, wenn man gestern noch beim Fleisch Essen beobachtet wurde.
    Ich wünsche mir, dass jeder seine eigenen Entscheidungen darüber treffen kann, was er seinem Körper zuführen möchte und was nicht. Die Leute sollten sich kein Recht rausnehmen, darüber mitzubestimmen. Außerdem sollte es nicht als “unhöflich” gelten, wenn man bei gesellschaftlichen Anlässen gerade nicht in der Stimmung ist, ein Nervengift aus einem Glas mit langem Stiel zu trinken.

    • Hallo Claudi,

      die selbe Erfahrung, wie du es beschreibst, mache ich auch immer.
      Momentan habe ich leider diese Sitaution:
      Ich habe mal hochmotiviert nach 3 Monaten abstinenz verkündet, dass ich keinen Alkohol mehr trinke (also so gar nicht). Wie du es beschreibst wurde das noch von fast allen so mittelmäßig akzeptiert. Da ich es aber nicht konsequent geschafft habe (auch vorallem du “freundschaftlichen” und gesellschaftlichen Druck und Zwang) bin ich jetzt für meine Freunde natürlich inkonsequent und nicht mehr ernst zu nehmen was das betrifft und werde nur noch belächelt wenn ich “wieder mal” nicht trinke. Dass das Trinken, wenn es wieder dazu kommt, aber ganz viel daraus entsteht, dass mich meine Freunde aufziehen oder auch animieren, mich fragen ob ich ein Bier trinken will oder ob wir ein Bier trinken gehen bzw. auch null reagieren wenn ich Alkohol in der Hand halte und es anscheinend einfach niemand verstehen will, sich merken kann dass ich versuche aufzuhören oder mich einfach nicht mehr ernst nimmt. Und genau das macht es mir unheimlich schwer konsequent zu bleiben.
      Klar, ich bin für mich selbst verantwortlich, aber ich bin eben auch krank im Umgang mit Alkohol. Ich weiß ganz genau, dass sie es zu sehr feiern, wenn ich mit ihnen trinke und dass sie selbst darauf (also auf mich) nicht verzichten wollen.
      Deshalb gehe ich mittlerweile nirgendwo mehr hin, weil ich ständig diesem inneren und äußeren Konflikt gegenüber stehe. der mich einfach so sehr Kraft kostet und belastet.

  15. Puh, bin ich gerade froh, dass es in meinem Freundeskreis normal ist, nicht immer Alkohol zu trinken. Da fragt keiner, warum. Aber schade, dass es scheinbar häufig nicht so ist. Ich bin allerdings noch nie auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob jemand Alkoholiker ist, nur weil er keinen Alkohol trinkt. Das ist schon etwas traurig, wenn viele denken, dass das die einzige sinnvolle Erklärung dafür ist.

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