Wie wir selbstwirksame Entscheidungen treffen

Bei schwierigen Entscheidungen verliert man manchmal den Blick auf das Wesentliche: die eigenen Bedürfnisse

Heute die dicke Jacke oder reicht eine leichte? Fahrrad oder Bus? Nudeln oder Fisch zu Mittag? Täglich treffen wir unfassbar viele Entscheidungen, die meisten davon bemerken wir nicht einmal. Andere hingegen rauben uns die Nachtruhe, bringen uns zum Zähneknirschen oder Nägelkauen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir zwischen 20.000 und 100.000 Entscheidungen pro Tag treffen. Zu dieser Menge kann es überhaupt nur kommen, weil wir viele davon sehr schnell treffen. Fakt ist: Je nachdem, wie komplex die Umstände der Entscheidungssituation sind, kostet eine Entscheidung mehr oder weniger Aufwand. Entscheiden ist ein Prozess mit verschiedenen Komponenten.

Eine davon ist die zeitliche Dimension. Also auf welche Zeitspanne wirkt sich die Entscheidung aus? Ist es eine kurzfristige oder eher langfristige Sache? Ob du dir ein Monatsticket für die Bahn kaufen sollst, ist vermutlich eher schnell entschieden. Die Entscheidung für ein Haustier zum Beispiel hat aber langfristige Auswirkungen und will gründlicher überlegt sein. Eine weitere Komponente, die Entscheidungen gefühlt leichter oder schwieriger macht, ist die Anzahl an Optionen. Je mehr Optionen, desto kniffliger wird’s mit der Entscheidung. Es heißt nicht ohne Grund die „Qual der Wahl“. 

Auch die Tragweite deiner Entscheidung für dein weiteres Leben spielt eine Rolle. Heirat Ja oder Nein, Jobwechsel, Zusammenziehen mit dem Partner oder der Partnerin: Das sind Entscheidungen, die deinem Leben eine andere Richtung geben und großes Veränderungspotenzial besitzen.
Kein Entscheidungsprozess gleicht dem anderen, jeder ist durch spezifische Komponenten geprägt. Aber der Blick auf die Komponente ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite bist du selbst. Oder anders ausgedrückt: Wie schwer dir eine Entscheidung fällt, hängt auch maßgeblich von deiner inneren Einstellung ab, und die kannst du beeinflussen.

Ich kann mich nicht entscheiden!

Plagen dich Entscheidungsschwierigkeiten? Hast du das Gefühl, dass „Entscheidungsfreiheit“ für dich eine Bürde ist? Das kann verschiedene Ursachen haben, die du für dich selbst ehrlich hinterfragen darfst. Alle diese Ursachen sind aber nicht das Ende vom Lied, du kannst sie aktiv verändern. 

1. Versagensangst: Aus Angst, falsch zu entscheiden, entscheidest du lieber gar nicht. Getreu dem Motto: Wer nichts macht, macht auch nichts falsch. Das stimmt leider nur halb, denn während du nicht entscheidest, geht das Leben weiter. Im schlimmsten Fall konfrontiert dich das Leben in dieser Entscheidungslücke mit unschönen Überraschungen. Beispiel: Du möchtest dich selbstständig machen, traust dich aber nicht. Während du grübelst, wagen andere den Sprung, vielleicht sogar mit deiner einzigartigen Geschäftsidee! Unter Umständen ist dann für dich und deine Idee kein weiterer Bedarf mehr.

Wenn du unter Versagensangst leidest, kommt dir vielleicht dieser Satz aus deiner Kindheit bekannt vor: „Du wirst schon sehen, was du davon hast!“. Beginne diese und andere negative Glaubenssätze, die dich hemmen, in positive umzuformulieren. Versuche dir vorzustellen, wie ein Happy End deiner eigenen Geschichte aussehen könnte, statt dir dein Scheitern in allen Farben auszumalen.

Selbstreflexion schafft Klarheit bei Entscheidungsschwierigkeiten

2. Komfortzone: Auch sie hindert dich vielleicht an der ein oder anderen Entscheidung. In eine neue Stadt zu ziehen, eine Partnerschaft zu beginnen oder auch zu beenden oder den Job zu wechseln – das ist alles andere als einfach und bequem. Klar, manchmal brauchst du deine Komfortzone als Schutzbereich, um Kraft zu tanken und dich auf dich zu besinnen. Und doch warten oft großartige Erfahrungen jenseits der bekannten Linie. Wenn du spürst, dass du etwas wagen willst, dann lass die Komfortzone nicht zu deiner Ausrede werden. Fass dir ein Herz und triff deine Entscheidung!

3. Verlustangst: Bloß niemanden vor den Kopf stoßen, sich selbst zurücknehmen. Diese Devise hält dich unter Garantie auch häufig von Entscheidungen ab, die in deinem persönlichen Interesse sind, aber vielleicht deine*n Partner*in, deine Familie, deine*n Chef*in etc. gegen dich aufbringen würden. Aus Angst, liebe Menschen zu verlieren, oder auch Ansehen und Status, entscheidest du nicht ehrlich dir selbst gegenüber. Es ist keine lebenswerte Option, sich selbst mit allen Bedürfnissen auf Dauer hinten anzustellen. Sprich mutig mit den Beteiligten über deine Bedenken. Menschen, die dich schätzen und lieben, werden dich unterstützen wollen.

4. Kontrollverlust: Du bist immer noch auf der Suche nach allen Fakten und glaubst, du musst noch dieses und jenes wissen? Ja, manchmal ist es so, dass du einfach nicht alle Infos zusammenbekommst. Einige Entscheidungen sind zu komplex, du besitzt keine Glaskugel und kannst nicht alles bis ins kleinste Detail kontrollieren. Ein Quäntchen Vertrauen und Mut fürs Entscheiden trotz Unwägbarkeiten gehören eben auch manchmal dazu. Als Belohnung wartet das gute Gefühl, endlich entschieden und die Weichen gestellt zu haben. So wächst dein Selbstvertrauen.

5. Mangelndes Selbstwertgefühl: Du bist dir selbst nicht wichtig genug, um die Mühe zum Entscheiden aufzuwenden. Du hast das Gefühl, dass sich alles in deinem Leben ohne dich entscheidet. Ein Gefühl von Selbstwirksamkeit ist dir fremd, vielleicht weil dir die Sicherheit fehlt oder du Rückschläge nicht verarbeitet hast. Dem Leben die Entscheidungsgewalt zu überlassen, fühlt sich vielleicht sicher an, aber leider kommst du so einfach nicht voran. Verlass die bekannte Zone, werde der Gestalter oder die Gestalterin deines Lebens. Du wirst staunen, was in dir steckt!

Wie du das richtige Entscheiden lernen kannst

Mit dieser ersten Bestandsaufnahme hast du jetzt vielleicht ein besseres Gefühl dafür, woher deine Entscheidungsschwierigkeiten kommen könnten. Das ist der erste Schritt, um dich besser kennenzulernen und herauszufinden, wie du dich beim Treffen von Entscheidungen unterstützen kannst.

Daneben gibt es noch weitere Faktoren, die dir helfen können. Zum einen der Faktencheck. Besonders bei komplexen Entscheidungen brauchst du die nötigen Rahmeninformationen. Das bedeutet zwar mehr Aufwand, aber besonders bei Entscheidungen mit großer Tragweite oder solchen, die langfristig sind, lohnt es sich, nicht allein „aus dem Bauch heraus“ zu entscheiden.

Auch deine Stimmung und deine Emotionen spielen beim Treffen von Entscheidungen eine Rolle. Wenn du gut gelaunt oder euphorisch bist, fühlt sich das zwar gut an, ist aber kontraproduktiv für das Treffen komplexer Entscheidungen. Die berühmte Schnapsidee lässt grüßen. In einer Studie haben Wissenschaftler herausgefunden, dass sogar die Lichtverhältnisse eine Rolle spielen. In sanftem Licht triffst du angeblich auch besonnenere Entscheidungen. Also: Licht dimmen bei komplexen Entscheidung.

Ohne aktives Entscheiden fühlt es sich an, als ziehe das Leben nur so vorbei.

Wenn du einen besseren Überblick haben möchtest, und das Gefühl hast, dass du immer in die gleiche Entscheidungsfalle tappst: Führe ein Tagebuch oder einen Planer, indem du deine Ziele und Werte reflektieren kannst. Beim Journaling fallen dir am ehesten Muster auf und du kannst mit der Zeit herausfinden, bei Entscheidungen mit welchen Komponenten du die meisten Probleme hast. So erkennst du, welche inneren Hürden dich hemmen.

Keine Angst vor der falschen Entscheidung


Manchmal passiert es: Du triffst die falsche Entscheidung. Aber was bedeutet das genau, was heißt denn falsch? Falsch meint in dem Zusammenhang fast immer das Gefühl der Reue: Ich bereue, nicht umgezogen zu sein, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Ich bereue, mich mit meiner Freundin zerstritten zu haben oder mich nicht beworben zu haben, als die Stelle noch frei war.

Jeder von uns kennt das Gefühl der Reue, sicherlich kein schönes Gefühl. Und auf Dauer ist sie auch schädlich, denn sie bedeutet Stress. Stress aber führt dich weg vom gegenwärtigen Moment und lässt dich weiter in schlechten Gefühlen verharren. Die Folge: Du bist nicht frei und offen für neue Entscheidungen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass du das Gefühl der Reue zeitig loslässt und nicht in der Vergangenheit verharrst. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere: Viele Entscheidungen, die sich endgültig anfühlen, sind es gar nicht. Überlege, aus wie vielen deiner Entscheidungen, die du im ersten Moment bereut hast, haben sich neue Chancen eröffnet? Welche haben dir Erkenntnisse über dich selbst gebracht und dich wieder in die richtige Richtung gelenkt?

Versuche nach vorn zu blicken und weiterzumachen. Denn eines ist ganz sicher: Lieber schlechte Entscheidungen treffen, oder solche, die du kurzfristig bereust, als gar keine Entscheidungen zu fällen. Sobald du nämlich keine Entscheidungen mehr triffst, sondern die äußeren Umstände oder andere Menschen für dich entscheiden lässt, bist du nicht mehr der Steuermann oder die Steuerfrau in deinem Leben. Alles, was dich von deinen eigenen Zielen und Werten wegführt, führt dich auch weg von den für dich richtigen Entscheidungen.

Sei ehrlich, das bist du dir schuldig


Generell gilt: Du musst ehrlich zu dir selbst sein, nur dann kannst du richtige Entscheidungen treffen. Folgende Fragen bringen dir Klarheit:

  1. Was will ich, was sind meine Bedürfnisse?
  2. Was sagt mein Verstand?
  3. Was sagt mein Bauchgefühl?
  4. Was steckt hinter meinem Wunsch, hinter der Entscheidung, die ich treffen möchte?
  5. Habe ich mögliche Alternativen erwogen?
  6. Kenne ich bestmöglich die Fakten und bin mir über die Folgen im Klaren?
  7. Verdränge ich bestimmte Tatsachen, weil sie unbequem sind?
Die eigenen Werte als verlässliche Entscheidungshilfe

Je nach Anforderung und Informationsstand, und das schließt unsere eigenen Ziele und Bedürfnisse mit ein, empfinden wir das Treffen von Entscheidungen als leichter oder schwieriger. Die verschiedenen Dimensionen und Komponenten von Entscheidungen sind auch entscheidend dafür, ob es klug ist, aus dem Bauch heraus oder mit dem Verstand zu entscheiden. 

Entscheide bewusst und nach deinen eigenen Werten 

Für jede Art der Entscheidung, vor allem aber für die komplexen, die sich nicht allein aus dem Bauch heraus entscheiden lassen, gilt: Behalte deine Werte und Bedürfnisse im Blick und kenne deine Ziele. Mit Blick auf dich selbst wirst du souverän Entscheidungen treffen. Ohne Reue, denn du weißt: Du hast zum entsprechenden Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen und gemäß deinem inneren Kompass entschieden. Das hilft dir vor allem auch bei Entscheidungen, die du in Unsicherheit treffen musst, weil sie mehrschichtig sind, und du die Folgen nicht im Blick haben kannst.

Entscheidungen zu treffen, die dich auf deinem Lebensweg weiterbringen, kannst du üben. Wenn du dich und deine Bedürfnisse, Werte und Ziele reflektierst, fällt es dir immer leichter, zu wissen, was richtig für dich ist, oder wo nur faule Kompromisse lauern. Lass nicht zu, dass andere Menschen oder Umstände auf Dauer die Entscheidungsgewalt haben. Gestalte dein Leben nach deinen Vorstellungen. Entscheidung zu treffen ist die Basis dafür. 

1 comment on »Wie wir selbstwirksame Entscheidungen treffen«

  1. Ich bin sehr zufrieden mit Der gute Plan und habe heute als erstes geklärt, was meine Werte sind. Gut, sie aufzuschreiben. Ich vergesse solche Dinge schnell wieder. Zur Zeit kämpfe ich noch etwas mit innerlichen Seiten, die das genaue Gegenteil anstreben.

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